Persönliche Beobachtungen  (Fotos: rebel - Frank Neumann - Marcel Klinger / pixelio.de)

Amerika war ein blühender Kontinent. Hier sind die Hochkulturen der Inka, Atzteken und Maya zu Hause. Hier gibt es Mythen und Legenden, die von den Anfängen der Welt erzählen und von Zeiten, in denen die Völker dieses Kontinents Wissen besaßen, von dem der Rest der Welt noch nichts ahnte. Hier stehen Bauten und Ruinen, die für unsere heutigen Augen voller Rätsel stecken, die die indigenen Völker jedoch in ihren Erinnerungen sehr wohl erklären können. Hier gab und gibt es eine tiefe, spirituelle Verbindung zur Natur und Menschen, die die Balance mit allen Wesen als Wurzel ihres Glaubens leben. Hier sind Antworten zu finden, die uns helfen könnten, die Herausforderungen, die wir uns heute geschaffen haben, zu bewältigen. Vieles ist verloren im Nebel der Geschichte. Vieles wurde zerstört, zerschlagen und unkenntlich gemacht. Mit der Ankunft der Europäer, der Spanier und Portugiesen, veränderte sich das Bild radikal. Innerhalb kürzester Zeit wurden die Kulturen Mittel- und Südamerika's zerstört. Sie brachen zusammen, wie Kartenhäuser, zum Einsturz gebracht von einer kleinen, gewaltätigen und zu allem bereiten Gruppe von Eroberern, ihrem eigenen Glauben und Tendenzen, die die Reiche schon vorher durchhöhlt hatten. 

 

Von diesem Moment an wurde Amerika, insbesondere im Süden des Kontinents zu einem Ort der gnadenlosen Ausbeutung durch europäische Großmächte. Das Gold Amerika's hielt die Maschinerie in Europa am Laufen, es krönte Königshäuser und finanzierte Kriege und Intrigen. Die in Amerika bestehende Kultur wurde von christlichen Missionaren für heidnisch, rückständig und nichtig erklärt. Bauwerke wurden dem Erdboden gleichgemacht, dafür schossen christliche Kirchen aus dem Boden und der neue Glauben veränderte die Gedankenwelt der Menschen grundlegend.

 

Im Norden kam die Welle der Mitteleuropäer ins Land geschwemmt. Sie waren auf der Suche nach Grund und Boden und sehnten sich nach einem neuen Leben. Sie kamen aus der Enge Europa's, einer Enge in den Köpfen und einer Enge in Bezug auf Platz. Doch in Amerika lebten bereits Menschen. Hier gab es eine spirituell sehr hoch entwickelte Kultur, die in Balance mit der Natur lebte, mit einer Vielzahl von Stämmen. Doch das spielte für die Neuankömmlinge keine Rolle. Sie hielten sich für überlegen und handelten danach. Das Land betrachteten sie als ihr Eigentum. Die Indianer waren nur eine Rasse, die dem Untergang geweiht war. Nicht wert, sich länger damit auseinanderzusetzen. Nicht alle dachten so. Es gab auch immer wieder Versuche, miteinander zu leben, doch nichts davon überstand den Druck, der von allen Seiten kam. Der Hunger der Europäer war zu groß, ihr Machtanspruch zu starr und ihr Blick auf die Welt zu einseitig. Dazu kam, dass sich die nordamerikanischen Stämme untereinander niemals wirklich einigen konnten. Sie hatten mit eigenen internen Auseinandersetzungen zu kämpfen. Je stärker das zum tragen kam, umso leichter wurde es für die Europäer das gesamte Land unter ihre Kontrolle zu bekommen. 

Das Ungleichgewicht setzt sich bis heute fort. Schritt für Schritt wurden allen indigenen Völker die grundlegenden Menschen- und Existenzrechte abgesprochen. Ihr Land wanderte in das Eigentum der Europäer, sie selbst landeten in Reservaten, zusammengepfercht auf minderwertigem Boden, der ein Überleben unmöglich machte. Sie wurden abhängig gemacht, um besser kontrolliert werden zu können. Dazu kamen Krankheiten, gegen die die Menschen hier keine Abwehrkräfte hatten. Sie wurden immer weiter dezimiert. Ihre Identität und Kultur wurde systematisch zerschlagen. Familien wurden auseinandergerissen, Kinder weggenommen, um im westlichen Stil erzogen zu werden, ganze Generationen verloren so ihre eigenes Selbstverständnis und vor allem ihr Selbstwertgefühl. 

 

Doch nicht nur das. Sklaven aus Afrika wurden in großem Stil importiert, um die Schwerstarbeit zu leisten, das Land fruchtbar zu machen und aufzubauen. Auf ihrem Rücken entstanden die stolzen Nationen, die sie bis tief in das letzte Jahrhundert hinein nur als wertloses Menschenmaterial behandelten. 

 

Es ist ein langer Weg, dieses Denken und Handeln zu verändern. Es ist ein langer Weg für die Einen, ihre Überlegenheit in Frage zu stellen und aufzugeben und ein langer Weg für die Anderen, ihren Wert zurückzuerlangen. Es braucht zuerst einen ehrlichen Blick, auf das, was ist und das, was war. Im Moment geschieht das nur zögerlich. Zu groß ist die Angst, zu extrem die Sprengkraft dessen, was unter der Oberfläche schlummert. Das Selbstbild der US-Amerikaner und Kanadier steht dem besonders im Weg. Denn es würde bei einer genauen Betrachtung nicht nur Risse bekommen sondern in sich zusammenbrechen müssen. Ihre Lebensweise würde komplett in Frage gestellt werden müssen. Sie lässt sich nicht halten, wenn die Rechte aller Völker und Menschen gleichwertig nebeneinander stehen würden. 

 

Doch es ist notwendig. Dringend notwendig, genau diesen Wandel zu vollziehen. 

 

Dann könnte auch ich wieder mit Freude auf diesen Kontinent kommen. In den letzten Jahrzehnten habe ich sehr bewußt einen Bogen, besonders um die USA gemacht. Zu extrem wurde für mich der Machtanspruch und die Rolle als Weltpolizist. Zu extrem der Glauben an die eigen Größe und Unfehlbarkeit. Viel zu deutlich sind die Gräben zwischen Realität und Wunschdenken geworden und viel zu verzweifelt und unberechenbar die Versuche, dieses Gräben zuzuschütten. Ich weiß nicht, in wie vielen geheimen Operationen, die USA ihren Anspruch als Weltmacht zur untermauern versucht. Je geheimer, umso stärker wird auch das Mißtrauen. Dabei stand dieses Land im zweiten Weltkrieg tatsächlich für eine positive Kraft, die der Diktatur und Tötungsmaschinerie in Deutschland und großen Verlusten ein Ende machte. Doch, es war nicht die einzige positive Kraft. Auch das ist etwas, was die US-Amerikaner schnell vergessen haben. Sie vergessen, das sie nicht allein auf der Welt sind. Sie vergessen, das ihr Weg nicht der Einzige und schon gar nicht der Beste ist. Sie vergessen, das die Welt nicht ihnen gehört. Das macht es für mich sehr schwer, mit ihnen in Kontakt zu sein. Denn dieses Verhalten erlebe ich auch im alltäglichen Umgang. Es zeigt sich in der Einstellung "alles kaufen zu können", es zeigt sich in dieser unglaublich kompromißlosen Geschäftsmentalität, bei der Geld über allem steht, es schwabbt durch die extreme Lautstärke, mit der US-Amerikaner in der Regel unterwegs sind. Ja, ich tue mich schwer mit ihnen. 

 

Doch auch das wird sich wandeln. Es hat schon längst begonnen. Viele der wichtigen Impulse für eine spirituelle Entwicklung kommen aus dem USA. Die indigenen Völker Amerikas beginnen ihre Stimme zu erheben. Der Alleinherrschaftsanspruch Nordamerikas beginnt zu bröckeln. Die Geschehnisse der Vergangenheit kommen ans Licht, sie kommen buchstäblich aus den Gräbern, so, wie ganz aktuell, in Kanada.

 

Das ist die Chance für den Beginn einer echten Aufarbeitung und einem neuen Miteinander. Es wird kein einfacher Weg, weil die Wunden tief sind. Sehr tief. Und, weil es sehr, sehr viele Wunden sind. Doch, es ist möglich. Es ist möglich eine Balance zu finden, die nicht wieder in das Gegenteil umschlägt. 


Heilarbeit für Menschen, Orte und die Erde 0