Persönliche Eindrücke... (Fotos: Annamartha - Thomas Max Müller / pixelio.de)

Ich liebe die Vielfalt dieses Kontinents. Ich brauche nur wenige Kilometer zu fahren und schon bin ich in einer anderen Welt. Hinter jedem Hügel verändern sich die Menschen. Ich habe immer gedacht, das wäre etwas ganz Besonderes. Bis ich realisiert habe, das es diese Vielfalt eigentlich überall einmal gegeben hat oder noch immer gibt. Doch durch die Tatsache, dass Europa sich und seine Vorstellungen über das Leben  in jeden Winkel dieser Erde exportiert hat, ist die Vielfalt anderer Kontinente an vielen anderen Stellen unterdrückt oder zerstört worden.

Das ist eines der Themen, die mich sehr intensiv beschäftigen. Vielleicht musste ich auch deshalb in Europa geboren werden, um zu erleben, das die Überlegenheit, mit der sich Europäer in der Welt so lange betrachtet haben und es an vielen Stellen weiterhin tun wollen, nicht funktioniert. Sie macht uns alle arm. Denn die Schönheit dieser Welt besteht in der Vielfalt. Ich weiß, das wir auch schon lange andere Wege zu gehen versuchen. Ich weiß auch, wie stark die Vergangenheit wirkt. Sie wirkt in Form von Schuld und Scham. Sie wirkt als Versuch, etwas wiedergutzumachen. Ich glaube, es ist Vielen von uns sehr bewußt, was wir im Laufe der Jahrhunderte für eine Rolle gespielt haben. Es war eine Rolle von Dominanz. Wir sind als europäische Kultur insgesamt sehr stark in diese Position gegangen.

Wir hatten auch scheinbar viele Gründe dafür. Von den Ideenschmieden und Denkfabriken Englands, über die Renaissance in Italien, die französische Baukunst, deutsche Zuverlässigkeit und Detailtreue gibt es viele wundervolle Dinge, die hier entstanden und umgesetzt wurden und werden. Doch dabei haben wir übersehen, das jeder andere Kontinent seine eigenen Schätze hat, die unseren in nichts nachstehen. Wir haben übersehen, das wir im Laufe der Geschichte oft sogar weit im Hintertreffen waren. Ich denke hier nur an das Thema Medizin und Mittelalter. Damals war Arabien der Hort des Wissens und in Europa herrschte tiefe Dunkelheit. Wir haben übersehen, dass Amerika nicht einfach nur zu unserem Gebrauch auf der Landkarte existierte sondern dass es dort Hochkulturen gab, deren Fähigkeiten wir weit, weit unterschätzt haben. Sie haben vielleicht keine Dampfmaschinen in die Welt gesetzt, sie hatten andere Mittel und Wege, die unseren vollkommen gleichwertig sind. 

 

Für meinen Blickwinkel war es wichtig, diesen Weg zu gehen. Es war eine der vielen Erfahrungen der Menschheit. Wie fühlt es sich an, eine Führungs- und Vorreiterposition für sich zu beanspruchen? Wie fühlt es sich an, sich als besser zu fühlen? Wie ist es, mit diesem "mir gehört die Welt-Anspruch" zu leben? Was entsteht daraus?

 

Nun, wir haben es erlebt. Der Kolonialismus, zwei Weltkriege und der Massenmord am jüdischen Volk sprechen eine deutliche Sprache. Das Christentum und die Missionierungen sprechen eine deutliche Sprache. Unser Umgang mit Minderheiten spricht eine deutliche Sprache. Die Form, wie wir Gesellschaften und Politik strukturiert haben spricht eine deutliche Sprache. Bis heute durchzieht dieses Denken der Überlegenheit viele Teile unseres Handelns und Selbstverständnisses. Teilweise fast unmerklich. Rassismus ist kein Thema, das wir gemeistert hätten. Er ist lebendig. Ich habe ihn erlebt. Ob im tiefsten Schweden gegenüber den Sami, in Grönland gegenüber den Inuit oder ganz persönlich im Bezug von West- und Ostdeutschland. Es gibt genügend Beispiele. Doch die Erfahrungen haben uns auch gelehrt, dass es eigentlich nicht unserem Wesen entspricht. Und es gibt mittlerweile genauso viele Ansätze, wie wir uns einem Leben des Miteinander zuwenden. Es gibt unzählige Projekte, mit denen wir helfen wollen. Ob in Afrika, Nepal oder an anderen Enden der Welt. Wir haben daraus praktische ein komplette Industrie erschaffen, die mittlerweile fast mehr sich selbst hilft, als irgend jemand Anderem. Warum? Wir haben unseren Überlegenheitsanspruch nie wirklich losgelassen. Ich erlebe das in mir selbst genauso. Gut versteckt, tief drinnen stoße ich immer wieder auf ihn. Und ich sehe ihn in unserem Handeln in der Welt. 

 

Die Auseinandersetzung damit ist ein Geschenk. Ich weiß, sie führt uns in die Position, die wir als Europäer wirklich ausfüllen könnten. Als Völker, die die Vielfalt des Lebens feiern und demonstrieren, das es wirklich möglich ist, miteinander in Frieden und Gleichberechtigung zu leben. Wir erleben das schon. Dort, wo wir von der inneren Überlegenheit und von dem Gedanken die Welt in irgendeiner Form bekehren zu müssen loslassen können, sind unsere Fähigkeiten, zu vermitteln und eine gemeinsame Basis zu schaffen, bereits ein Segen. Doch es ist nicht nur die Überlegenheit, die das verhindert. Es ist auch das Schuldgefühl. Gut verstekct, wirkt es genauso und ist praktisch die andere Seite der Medaillie. Wir pendeln noch von einem Extrem ins Andere. Doch mehr und mehr finden wir eine Balance und es ist faszinierend, das zu beobachten. 

 

Ich spüre, was wir alles geben können. Ich spüre die Schönheit und die Schätze dieses Kontinents. Und ich bin stolz darüber, hier zu leben. Europa und Deutschland insbesondere haben mir genau das Rüstzeug mitgegeben, um Brücken zu bauen, in dieser Welt. 

Heilarbeit für Menschen, Orte und die Erde 0