Mit diesem Land hier oben im Nordwesten Deutschlands habe ich meine Probleme. Ich habe lange in dieser Region gelebt und bin mit ihr niemals wirklich "warm" geworden. Genauso wenig, wie mit den Menschen. Das alles geht mir durch den Kopf, als ich durch Hannover und Minden über das Steinhuder Meer nach Steyerberg komme. Ich sehe die schmucken, gepflegten und super ordentlichen Klinkerhäuser und ich fühle eine Kühle, die mich frösteln lässt. Es fühlt sich fast steril an. Dieses bunte Leben, die kleinen vielfältigen Zeichen von spirituellem Leben fehlen fast völlig. So auf den ersten Blick könnte das hier glatt eine vollkommen normale Wohnsiedlung in Nordrhein-Westfalen sein.
Zum ersten Mal höre ich von diesem Dorf beim Osterfestival im ZEGG. Da sind zwei junge Frauen, die in Sieben Linden aufgewachsen sind und die eine Harmonie, Balance und Schönheit ausstrahlen, das es jedem auffällt. Sie müssen an einem glücklichen Ort aufgewachsen sein. Sie verkörpern das, was ich mir für alle Kinder dieser Welt wünsche. Selbstvertrauen, Bewußtheit und tiefes Fühlen. Diesen Ort, den muss ich kennenlernen.
Einige Jahre später ist es soweit. Das Sommerfest der Gemeinschaft ist für mich der richtig Anlass um das Ganze möglichst lange und intensiv zu erleben. Und der erste Eindruck bestätigt sich.
Die Landschaft hier hat mich vom ersten Augenblick an begeistert. Endlich mal eine Gemeinschaft, die an einem richtig schönen Ort steht. Direkt am Tollensesee erstreckt sich dieses riesige Gelände. Hübsche Häuschen winken mir beim Ankommen zu. Ein großer Park begrüßt mich. Alte Bäume und ich fühle mich sofort wohl. Und würde am liebsten gleich herziehen. Besonders der Platz unten am See hat er mir angetan. Dieser wunderschöne, wacklige Bootssteg, auf dem diese kleine Bank steht. Hier habe ich bei meinem ersten Besuch den Vollmond aufgehen sehen. Hier habe ich unendlich oft gesessen und konnte meine Gedanken schweifen lassen und Themen in mir aufarbeiten. Es ist ein guter Ort, um bei mir selbst anzukommen.
ZEGG ist eine Abkürzung und bedeutet: Zentrum für Experimentelle Gesellschafts Gestaltung. Das hier ist eines der "Urgesteine" deutscher Gemeinschaften. Seit 1991 - zwei Jahre nach der deutschen Wende - existiert dieser Ort mitten im Fläming, einer hügeligen waldreichen und wasserarmen Region circa eine Stunde von Berlins Zentrum entfernt. Einhundert Menschen leben aktuell hier.
Der ursprüngliche Ansatz, den ich kenne, drehte sich vor allem um Experimente mit einer anderen Art Beziehungen zu leben. Offene Liebe. Freies Miteinander. Auch heute ist das noch ein wichtiges Thema. Aber zur Sexualtität und ihren gelebten Formen ist die ganze Bandbreite menschlichen Seins gekommen.
Über fünfzig Jahre gibt es die Findhorn Foundation bereits. Hoch oben im Norden Schottlands. Es ist ein weiter Weg hierher. Deshalb hat es lange gedauert, bis ich endlich hier sein konnte. Ich bin schon vor langer Zeit auf diese faszinierende Gemeinschaft in der Nähe von Inverness gestoßen. Damals war ich in Australien, um die Jahrtausendwende und hatte zum ersten Mal mit Spiritualität zu tun.
Findhorn ist bekannt geworden duch die verblüffende Kultivierung von fast unfruchtbarem Sandboden. Die Früchte, die dort geerntet wurden, wo eigentlich gar nichts wachsen sollte, müssen so enorm gewesen sein, das gerade die Gartenexperten Briatanniens sprachlos wurden. Und diese Fruchtbarkeit ist nur aus einem einzigen Grund aus dem Nichts aufgetaucht. Durch eine tiefe spirtituelle Verbindung mit der Erde, mit dem Boden und den Pflanzendevas. Eine Verbindung zu den Energien und Wesen, die in der Logik des materiellen Denkens genauso wenig existieren, wie fruchtbarer Sandboden. Diese Geschichte reicht vollkommen aus, um Findhorn für mich zu einem der interessantesten Orte zu mache, die ich besuchen möchte.
Glarisegg ist einer dieser Orte, in die ich mich spontan verlieben kann. Weil sie landschaftlich so fantastisch liegen. Gesegnet von der Natur. Hinter den vielen Gebäuden, die noch den Hauch von Schloß und Waldorfschulzeit verbreiten geht ein verwunschener Weg in einer Schlucht. Zu Wasserfällen, Badekuhlen und versteckten Überhängen. Zu Orten, wo die Bäume noch liegen können, wie sie wollen. Zu Plätzen, die magisch sind.
Und auf der anderen Seite der Uferstraße wartet der Bodensee. Ein langes Stück Strand samt Bootssteg gehört auch zu dieser Gemeinschaft. Der perfekte Platz für ein kühles Bad im See. Am Morgen bimmeln hier die Kuhglocken, nebenan ist der Biobauer und alles um mich herum ist in ein sattes Grün getaucht. Eine kleine Wanderung auf den Berg hinter Glarisegg bringt mich auf eine Anhöhe, von der aus ich bei Föhnwetter die Alpenkette mit den Händen greifen kann. Traumhaft. Einfach traumhaft.
Was für ein Ort! Der Brienzer See mit seiner unglaublich intensiven Farbe begrüsst mich, bevor sich die kleine Straße den Berg hinaufschlängelt. Je höher ich komme, umso stiller wird es. Die Bäume werden dunkler, knorriger und strahlen mehr und mehr Majestät und Seele aus. Der Weg wird immer abenteuerlicher. Kurz vor Ende wartet eine Brücker, deren Geländer mich um die Stabilität des Bodens bangen lässt. Sie führt über einen wilden Bergbach, in dem ich am liebsten sofort eintauchen möchte.
Und dann komme ich um die letzte Ecke auf dieses halbe Hochplateau, bei dem ich nicht so recht weiß, ob der Name "Alm" nicht besser passen würde. Das hier ist ein Traum von einem Ort.
Irgendwie bin ich bei Tamera immer ein bisschen ratlos. Und erst 2014, viele Jahre nachdem ich Sabine Lichtenfels zum ersten Mal begegnet bin, hat es auch mit einem Besuch geklappt. Außerhalb der Gästesaison und nur für wenige Stunden, aber es hat mein Bild geklärt und teilweise leider auch vertieft.
Sabine, die Mitgründerin der Gemeinschaft, ist mir in Berlin begegnet. Sie hielt eine Rede auf einem Kongreß, der sich um die Themen Sexualität und Spiritualität bewegte. Dort bin ich vielen ganz wichtigen Menschen meines Lebens begegnet und mit einem Schatz voller Impulse nach Hause gefahren. Aber Sabine gehört nicht zu diesen Schätzen. Ihre Art hat mich nicht überzeugt.