Persönliche Eindrücke (Foto: Rolf Handke / pixelio.de)

Portugal ist ein Märcheneich. So fühle ich es tatsächlich. Ich sehe es in den verwunschenen Ruinen und alten Häusern mit ihrer abblätternden Farbe. Ich erlebe es in der Verspieltheit von Mustern und Dekorationen. Ich erlebe es in der Sprache, die mit ihren herrlich ausufernden Silben und der Fülle an Wörtern eine Welt in so vielen Schnörkeln beschreiben kann, wie die Verzierungen einer kunstvollen Bäckertorte. Und irgendwie lebt das Land auch noch zu einem großen Teil, wie in einem Märchen, das längst vergangen ist. Um gleichzeitig mit einem unnachahmlichem Spagat, den Bogen in eine Moderne zu schaffen. Doch das Märchen schimmert durch. Immer wieder. An den unerwartesten Stellen. Und mit ihm eine Sehnsucht. Die Sehnsucht nach der Vergangenheit. 

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Fotos

Erfahrungsorte

Wow. Wow, ist der erste Impuls. Der Kreis sieht auf den ersten Blick wunderschön aus. Kunstvoll. Geballte Kreativität und Schöpferkraft. Freude. 

 

Wenige Sekunden dauert dieser Eindruck, dann bleibt mir fast die Luft weg. Der Brustbereich wird ganz eng, mein Herz scheint sich zusammenzudrücken und die Luft vibriert, wie eine Hand, die mich zurückhelt. Eine Mauer hat sich um den Kreis gebildet. Pure Energie. Betreten nicht erwünscht. Ich warte einen Moment. Und noch einen. Die erste Abwehr legt sich langsam. Aus dem Nein, wird eine neutrale Gleichgültigkeit. Frei nach dem Motto: "Na, wenn's denn sein muss." Das hätte ich nicht erwartet...

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Entgegen den Legenden entstand das Kloster nicht als Jubel über die gelungene Seefahrt von Vasco da Gama, 1499. Es wurde schon drei Jahre vorher in Auftrag gegeben. Aber sowohl Portugiesen als auch ihre Gäste haben es in ihrem Gefühl zu einem Gral der portugiesischen Weltmacht werden lassen.

 

Das Gebäude ist manuelische Architektur in ihrer reinsten Form. Manuelik? Die portugiesische Variante der Hochgotik. Benannt nach König Manuel dem I., der über Portugal in der Zeit der großen Entdeckungsfahrten herrschte.

 

Die überbordende Pracht, die Verspieltheit, die Exotik der Motive ist einzigartig. Sie konnte nur entstehen, weil sie von den vielen neuen Eindrücken der Seefahrer gespeist wurde. Vor allem anderen jedoch stehen ihre Fundamente fest verankert auf dem Reichtum, der aus den Kolonien nach Portugal floß. Blutgeld.

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Als ich vor ein paar Tagen zum ersten Mal Fado gehört habe, hat mich nur diese endlose Traurigkeit überrannt. Ich habe ihm eine Stunde lang gelauscht. Nicht in einem der vielen Fado-Lokale von Lissabon sondern ganz profan im Internet. Ein Lied ähnelte dem Anderen. Alle klangen wie das Seufzen der Menschheit. Dramatik, Trauer gefasst in Noten und Töne. Das ganze Elend des Lebens. Der ganze Kampf, die gesamte düstere Seite der Seele vibrierte in meinen Ohren.

 

Ich wußte nicht, ob ich diese geballte Ladung noch einmal hören wollte. Ich wußte nur, das mich die Stimmen faszinierten. Die von Amália Rodrigues. Die von Mariza.

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Kraftorte

Noch ist der Steinkreis rund zehn Kilometer entfernt, aber seine Wellen berühren mich schon jetzt. Tiefe Traurigkeit. Tränen. Ein erstickendes Gefühl. Einsamkeit. Immer wieder werde ich davon überrollt, als ich durch diese in schönstes Morgenlicht getauchte Korkeichenplantagen fahre. Ein idyllischer Platz ist es für mich. Weit entfernt vom Lärm der Straße oder der Stadt. Eine ganz eigene Welt. Die letzten Meter gehe ich zu Fuß, die Steine sind am Ende der langen Gerade schon auszumachen, und jeder Blick macht mein Gefühl der Traurigkeit intensiver. Lässt einen neuen Schwall von Tränen über meine Wangen laufen. Es ist die Trauer des "Nicht-Beachtet-Werdens", des "Nicht-Gesehen-Werdens". Das Gefühl, mit den Füssen getreten zu werden. An den Rand zu rücken. Alles andere ist wichtiger und überdeckt wie ein schwerer, erstickender Teppich jede liebevolle, heilende Energie.

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Es könnte so schön sein hier. So traumhaft schön. Diese Küste der südlichen Algarve ist ein Gedicht aus rotem Stein. Mein Auge kann sich kaum satt sehen, als ich von Bucht zu Bucht laufe. Zwischen Carvoeiro und Albufeira. Die versteckten kleinen Strände laden an jeder Ecke zum Verweilen ein. Die Wellen tosen gehen die Felsen und bauen minütlich neue Formen. Die Luft ist gefüllt mit den Gerüchen von Eukalyptus und Pflanzen, die mir noch vollkommen fremd sind. Aber es riecht gut. Soooo gut. 

 

Aber je weiter ich vorankomme, umso mehr werde ich auch mit dem anderen Gesicht dieses Märchens konfrontiert. Hier möchte jeder sein. Das möchte jeder geniessen. Und bitte am besten in der aller-, allerersten Reihe. Eine Reihenhaussiedlung folgt der nächsten.

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Die Welt um mich herum ist leer. Ich weiß nicht, wie ich die weiten Hochflächen hier nennen soll. Es ist grüner, flacher Bewuchs, mal stachelig, mal einfach nur wehrhaft. Aber er überzieht das Land, wie eine Schutzschicht. Direkt hinter den Hügeln fällt das Land schroff ins Meer hinunter. Hier ist nichts. Nichts außer dem Wind, der um meine Ohren greift und mein Haar tanzen lässt. Einsamkeit. Pure Einsamkeit. Kein Haus. Keine Bebauung. Nichts. Erst als ich den Hügel erklimme, erscheinen wie in einer Fata Morgana zwei Gehöfte. Am Horizont sehe ich Sagres. Aber dieses Gefühl der Einsamkeit bleibt. Ganz real. Ganz greifbar. Es fühlt sich an, wie das Laufen in einer Wüste. Es macht auch so durstig.

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Der Weg hinauf zum See ist rutschig. Extrem rutschig. Er ist mit Steinen gepflastert, die jetzt, in der Nässe des April, vollgesogen sind mit Wasser. Auf diesen Steinen wird jeder Schritt zum Balanceakt. Eine falsche Bewegung und ich käme in den Genuss einer äußerst holprigen Eisbahn. Als ich meine Blicke endlich vom Boden lösen kann, als die Konzentration endlich auch meine Umgebung einschliessen darf, stockt mir der Atem. Was ich sehe, ist das Paradies. Zehn Wasserfälle zähle ich, die hier in einen wunderschönen See strömen. Die Luft ist voller Düfte. Feucht, schmeichelnd und unglaublich lebendig. Das Grün um mich herum steckt so voller Energie, das ich es fast knistern höre. Hier ist es so, wie diese Erde sein sollte. So, wie sie eigentlich gemeint ist. Hier kann ich sehen, ahnen, fassen und fühlen, in was für einem Paradies ich auf diesem Planeten wirklich leben würde, wären da nicht die Zerstörungen der Menschen.

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Ich sehe die Touristenmassen schon von Weitem. Die großen Busse, das Stimmgewirr.

 

Wenn ich nicht schon beim Aussteigen aus dem Bahnhof entschieden hätte, meinem Herzen zu folgen, das nur von dem hoch über dem Ort winkenden Castelo dos Mouros (Kastell der Mauren) angezogen wird, hätte ich spätestens hier einen Weg am Königsschloss vorbei genommen. Die Pracht lockt mich nicht. Mich lockt die Stille. Und dieses Adlernest von einem Bau, das dem Himmel so nah ist.

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Diesmal geht es direkt ins Herz. Als ich vor einem Jahr hier oben stand und mit Tränen in den Augen meiner Vergangenheit nachgespürt habe, habe ich geglaubt, alles gefühlt zu haben. Aber es war nicht das Ende. Es war nicht die Vollendung des Kreises. Etwas möchte noch durchlebt werden. Mein Tod. Sterben von der Hand meines geliebten Mannes, sein Schwert in meinem Körper. Seine Wut, sein Hass, sein Feuer, das mich verbrennt. 

 

Ich sehe seine Augen vor mir. Augen, die ich auch in diesem Leben so gut kenne. Augen, die lodern, wir pure Glut. Eifersucht. Eifersucht auf mich. Auf mein Sein. Eifersucht auf die Tatsache, das er sich mir unterlegen fühlt. Weil ich das verkörpere, was er gern wäre und glaubt, nicht sein zu können. Ich spüre meine Kraft, meine Schönheit und meine Weisheit. Alles ist da. Ich lebe es, als Araberin in der Zeit, in der dieser Teil Portugal's maurisch war.

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Filme

"Nachtzug nach Lissabon"

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Musik

Zeca Alfonso - "Grândola, vila morena"

Es ist das Lied, das 1974 die Nelkenrevolution in Portugal einläutete. Das Lied, das eine friedliche Revolution möglich machte. Die Befreiung aus der Diktatur des Salazar-Regimes, das seit 1932 das gesamte Land erstickte. Das ist meine portugiesische Hymmne. Sie hat immer noch so eine Kraft, das mein ganzer Körper davon erfasst wird. Sie ist lebendig. In mir. Und vor allen Dingen, in diesem Land.

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Neben dieser Hymmne ist Fado allgegenwärtig. Die Musik, die das Herz mitten auf einem Silbertablett seziert. Die volle Wucht der Emotionen. Die volle Breitseite des Weltschmerzes. Alles, was weh tut, alles, was tief berührt. Es ist ein Balanceakt zwischen tiefstem Gefühl und abgrundtiefer Depression. 

Amália Rodriguez - "Foi deus"

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Carminho - "Escrevi teu nome..."

Carminho ist eine der besten Fado-Sängerinnen, die ich kenne. Allein ihr Gesicht, ihre ganze Körpersprache zu erleben, ist ein Gedicht. Nirgendwo sonst in der Musik habe ich es erlebt, das eine Interpretin so lebt in jeder Note. Das sie so ganz verschmilzt, mit dem, was aus ihrer Seele schwingt. Das macht dieses Stück für mich so besonders.

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Mariza - "Oh gente da minha terra"

Ein Stück moderner Fado, in dem die Bildsprache genauso wirkt, wie der Text und die Musik. Mariza ist eine der besonderen Fadista's Portugals, sie im Original zu hören, lässt das Land in Sekundenschnelle ganz tief ins eigene Herz sinken und jede Emotion verständlich werden.

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Heilarbeit für Menschen, Orte und die Erde 0