Heilbiotop mit menschlichen Hürden

Irgendwie bin ich bei Tamera immer ein bisschen ratlos. Und erst 2014, viele Jahre nachdem ich Sabine Lichtenfels zum ersten Mal begegnet bin, hat es auch mit einem Besuch geklappt. Außerhalb der Gästesaison und nur für wenige Stunden, aber es hat mein Bild geklärt und teilweise leider auch vertieft.

 

Sabine, die Mitgründerin der Gemeinschaft, ist mir in Berlin begegnet. Sie hielt eine Rede auf einem Kongreß, der sich um die Themen Sexualität und Spiritualität bewegte. Dort bin ich vielen ganz wichtigen Menschen meines Lebens begegnet und mit einem Schatz voller Impulse nach Hause gefahren. Aber Sabine gehört nicht zu diesen Schätzen. Ihre Art hat mich nicht überzeugt.

 

Vielleicht hatte sie einfach einen schlechten Tag, aber die Botschaft der Liebe zwischen Frauen und Männern, die mir selbst eigentlich so sehr am Herzen liegt, hatte aus ihrem Mund einen fremden Klang. Verzerrt. Weil es für sie nur einen Weg gab, diese Liebe zu leben oder anders gesagt, zum wirklichen Blühen zu bringen. Im Rahmen einer Gemeinschaft. Das hat mich enorm irritiert und eigentlich auch wütend gemacht. 

 

Wieso nur in dieser Form? Wie kann ein Mensch, der für die Liebe einsteht, die Vielfalt und Buntheit dieser Welt auf ein Gardemaß stutzen wollen? Was soll das? Und warum eigentlich musste Tamera in Portugal entstehen. Warum gründen Deutsche eine Gemeinschaft so weit weg von ihrer eigenen Heimat?

 

Ich denke in dem Zusammenhang sofort an die Auswanderer, die ich in Neuseeland erlebt habe. Ich denke an den unterschwelligen Zorn der Neuseeländer, die sich bevormundet fühlten, vor den frischen Ideen der Neuzugänge in ihrem Land. Ihre Worte klingen mir noch im Ohr. Warum leben die ihre Träume nicht dort, wo sie herkommen? Was gibt ihnen das Recht, uns zu sagen, wie wir zu leben haben. Ich kenne die Arroganz, die in Auswanderen mitschwingen kann. Ganz ohne Absicht. Ist das in Tamera irgendwo auch versteckt? Ich weiß es nicht. Aber ich fühle etwas, das mich immer auf Abstand gehalten hat.

 

Ich habe mittlerweile einige der Bücher von Dieter Duhm und Sabine Lichtenfels gelesen. Dieter's Schreiben hat mich abgeschreckt. In Sabine's Büchern allerdings konnte ich für mich viel Wahres und Wertvolles entdecken. Dinge, die mein Leben verändert und mich in meine Kraft als Frau und spirituelle Seele geführt haben. Sie ist für mich ein sehr, sehr mutiger Mensch, weil sie für ihre Überzeugungen eintritt und die Stimme erheb. Ich entdecke viel in ihr, was ich auch in mir selbst so sehr liebe und schätze. Ich sehe die Kraft, die Visionen und das tiefe Fühlen, das so wichtig ist, um etwas zu bewegen und zu verändern. 

 

Aber trotzdem schwingt für mich immer dieser erste Eindruck mit. Eine Art von Dogmatismus. Ein "so, und nicht anders". Ich spüre bis heute die überschattende Kraft ihrer Vision in der Gemeinschaft. Als würden die anderen Menschen gar nicht so recht neben ihr und Dieter Duhm zum leuchten kommen. Obwohl das Potential dafür immens ist. Auch das nehme ich wahr. Wenn ich die Texte von Leila Dregger lese oder dem Enthusiasmus der jungen Generation Tamera's zuschaue, dann kann ich die Power fühlen, die da eigentlich schlummert.

 

Aber sie bleibt für mich trotz der hochinteressanten Veranstaltungen und ökologischen Ansätze, die mich schon oft angesprochen haben am Schlummern. Mein Besuch bestätigt dieses erste Gefühl. Aber er ist auch eine Inspiration. Denn, das was dort entsteht, entspricht in vielen Ansätzen tatsächlich dem Heilungsbiotop, das sie gern sein möchten. Es entspricht dem Slogan, der auf ihren Fahnen steht.

 

Besonders die Wasserlandschaften sind beeindruckend. Noch beeindruckender zeigen sich die Folgen, die in den Jahren immer deutlicher Werden. Renaturierung. Wiederbelebung einer Wüste, so könnte man das auch überschreiben. Ich liebe auch diese knuffligen Lehmhäuser und Strohballenhäuser. In ihnen fühle ich mich pudelwohl. Ich ahne den Reichtum der Permakulturgärten und ich sehe an so vielen Stellen, wieviel Liebe, Achtung, Arbeit, Kreativität und Aufmerksamkeit hier in jedes Detail fließt. In eine andere Welt. Eine neue Erde.

 

Ich stehe im Steinkreis und lasse die Energie auf mich wirken, ich betrachte den Wald an versprenkelten Häuschen und vor allem Wohnwagen auf dem Gelände. Ich sehe all die spannenden Ideen, die im Solar Village geboren werden. Und ich spüre, wie wichtig jedes dieser Experimente ist. Ich fühle, wie wichtig diese Schritte auf dem Weg des Ganzen sind. 

 

Ich erlebe auch die Menschen "live". Die Folgen der Hierarchistruktur, angeführt von Dieter, werden sehr deutlich. Es wird auch deutlich, das es hier tatsächlich eine deutsche Enklave gibt. Einen Fluchtpunkt. Einen Sammelpunkt. Weit weg vom Ort der Geburt. Die Vernetzung mit Portugal ist nicht so eng, wie ich es mir wünschen würde bei solch einem Projekt.

 

Aber das liegt für mich an der Art, wie eine Botschaft - auch wenn sie Heilung und Liebe heißt - in die Welt hinausgerufen wird. Wenn da auch nur ein Touch "Besserwisserei" dabei ist, wird niemand hören. Natürlich nicht. Es bildet eine Mauer zwischen den Menschen. Wer möchte sich schon Jemandem unterordnen und warum auch? Anregungen, ja, wunderbar. Inspiration? Perfekt. Aber Druck und "du musst" und "schau mal", ungefragt? Nein, danke. Da kann die Botschaft noch so wichtig sein. Sie wird abgeblockt.

 

Ich erlebe es an mir selbst. Ich muss eine richtige Grenze aus innerer Abwehr überwinden, um hier sein zu können. Es ist die Abwehr gegen die Ausschließlichkeit der Botschaft. Die Ausschießlichkeit, die ich schon in Berlin gefühlt habe. 

 

Trotz aller Widersprüche, trotz aller miteinander ringenden Eindrücke, Tamera ist ein Ort, den ich wieder besuchen werde. Das fühle ich. Und es ist ein Ort, von dem ich noch hören werde. Die Kraft der Jungen Menschen, die dort leben, sie wird in die Welt hinausfließen. Die Weisheit der Älteren wird wirken. Wenn sie diese Schwelle des Dogamtismus überwinden. Wenn sie darüber hinauswachsen, die Welt, ob sie will oder nicht, retten zu wollen. 

Heilarbeit für Menschen, Orte und die Erde 0