Persönliche Eindrücke  (Foto: Ulla Trampert / pixelio.de)

Ich habe ein Jahr in Kenia gelebt und gearbeitet. Es war ein Kulturschock. Ich war nicht auf die Slums in Mombasa vorbereitet. Ich war nicht auf die Armut vorbereitet und die Bereitschaft, mit der sie als selbstverständlich akzeptiert und ich als Weißer als reich betrachtet werde, als würde es einem Naturgesetz entsprechen. Ich war nicht auf die Schlaglöcher in den Straßen vorbereitet und die Sorglosigkeit, mit der sie als normal betrachtet und unausweichliche Unfälle in Kauf genommen werden. Ich war nicht darauf vorbereitet, trampende Polizisten mitzunehmen und innerlich zu zittern, vor ihren Gewehren und ihrer Unberechenbarkeit. Ich war nicht auf die Korrpution vorbereitet. Ich war nicht auf den Lärm vorbereitet und die Hitze. Ich war nicht auf das braune, schlammige Wasser des Ozeans vor Malindi vorbereitet. Ich war nicht auf die Malaria vorbereitet. Ich war nicht auf diese Verachtung zwischen Indern und Kenianern vorbereitet. Ich war nicht auf den Sextourismus vorbereitet. Ich war nicht darauf vorbereitet, in einer italienischen Enklave zu landen, in der Mafiosi im Kasino ihr Geld waschen können, weil es keinen Auslieferungsbefehl gab. Ich war nicht darauf vorbereitet, das die vielen Stämme des Landes sich untereinander spinnefeind sind und letztlich jeder Stamm nur in eigenen Clan- und Familienstrukturen denkt und alle anderen ausblendet und auszunutzen versucht.

 

Ich war auch nicht darauf vorbereitet, wie die Kenianer mit allen diesen Dingen umgehen. Ich war nicht auf die Schönheit der Massai vorbereitet. Ihre Gesänge höre ich immer noch in meinen Träumen. Der Rhythmus hat mein Blut in Bewegung gebracht. Ich war nicht auf die Eleganz, das Selbstverständnis und die Arbeitsmoral indischer Kenianer vorbereitet, die praktisch die wichtigsten Geschäfte im Land am Laufen halten. Ich habe nicht mit diesem wundervollen Schönhheitsideal gerechnet, bei dem Frauen für ihren runden Körper geliebt werden. Ein ausladendes Gesäß ist hier ein Zeichen von Fruchbarkeit und damit ungemein begehrenswert, während wir im Westen dabei nur an die nächste Diät denken. Ich habe nicht gedacht, das mich die Energie, die Farben und die Lebensfreude der Menschen so erschüttern würden. Denn sie haben mir meine eigene Blassheit gespiegelt. Ich habe nicht damit gerechnet, mit so offenen Armen aufgenommen zu werden. Ich habe nicht damit gerechnet, so beschenkt zu werden, wie ich es wurde. 

 

Ich hatte ein wundervolles Jahr. Ich hatte ein schreckliches Jahr. Ich bin hoch und runter gereist. Durch alle Gefühle. Ich bin fast an Malaria gestorben und habe dabei ein sehr viel effizienteres und wirkungsvolleres Medizinverständnis erlebt, als in Europa. Ich habe mit Sextouristen am Tisch gesessen und mir ihre Bedenken wegen Aids angehört. Ich habe gesehen, wie sich Frauen für das Geld der Weißen verkaufen und ihre Freier ausnehmen wie die Weihnachtsgänse. Ich habe die Arroganz dieser Freier erlebt, die glaubten, sich für ihr Geld alles kaufen zu können, als würden sie niemals in den Spiegel schauen. Ich bin am Strand Galopp geritten und durch die Masai Mara gestreift. Ich war auf Tuchfühlung mit Antilopen und dem Kilimandscharo. Ich bin durch Mombasa's Verkehrswahn mit dem Auto gesteuert und auf altersschwachen Fähren hinüber an die Südküste geschippert. Ich habe die Dekadenz der westlichen Luxuslodges in den Nationalparks erlebt, ihn genossen und mich dann geschämt, als ich wieder mit der Armut jenseits der Hotels konfrontiert wurde. Ich habe die Regenzeiten erlebt, in der alle Straßen unter Wasser stehen und mit der selbstverständlich umgegangen wird. Bei uns würde so etwas einen ständiger Katastrophenalarm auslösen. Ich habe das Funktionieren einer Gesellschaft erlebt, die durch meine Augen betrachtet eigentlich unmöglich funktionieren kann. Ich habe eine Welt erlebt, in der man per Hautfarbe in Klassen eingeteilt wird. In die der Gewinner und in die der Verlierer. Ich habe die grandiosesten Sternenhimmel und die schönsten Sonnenuntegänge der Welt erlebt. Ich habe eine Tierwelt erlebt, die mir einen Ahnung vom Garten Eden geschenkt haben. Ich habe erlebt, was möglich wäre, wenn wir anders mit der Natur umgehen würden. 

 

Die Extreme waren extrem. In jeder Beziehung. Ein Jahr in diesem Land ist nicht einmal ansatzweise genug, um die Vielfalt Kenias zu erfassen. Natürlich bin ich kreuz und quer unterwegs gewesen. Von Lamu im Norden bis zum Diani Beach im Süden. Aber ich habe mich trotz allem immer in der Nähe der Touristenströme aufgehalten. Ich war nie weit weg und meistens mittendrin. Selbst der Kontakt zu den Einheimischen, beschränkte sich auf Menschen, die mit dieser Branche zu tun haben. Und deshalb ist mein Blick auf Kenia höchst unvollkommen. Er ist ein kleines Puzzleteil. Bruchstückhaft. 

 

Und trotz allem hat dieses Jahr gereicht, um mich tief mit diesem Kontinent zu verbinden. Ich höre heute noch die Stimmen der Massai in der Nacht. Ich sehe noch heute die endlosen Gnuherden der Massai-Mara vorüberziehen und die Lässigkeit des Löwen-Männchens in der Gluthitze der Mittagssonne. Ich fühle das Prasseln der Regenzeiten auf meiner Haut und das Salz des Meeres auf den Lippen. Etwas von meinem Herzen lebt hier. Vielleicht liegt es daran, das ich hier gestorben und neu geboren worden bin. Afrika hatte sich mit der Malaria tropica tief in meinem Körper wohnlich eingerichtet. Und auch wenn diese Art der Malaria nicht wiederkommt, sie hinterlässt Spuren. Ich kann sie fühlen. 

 

So, wie ich die Klänge der Sprache in mir singen höre. So, wie meine Augen glänzen, wenn ich die wunderbar flüssigen Bewegungen afrikanischer Frauen verfolge. So, wie ich das Lachen, die strahlenden Gesichter und diese pure Freude am Leben niemals, niemals vergessen werde. Was für ein Geschenk dieses Land ist. Was für ein Geschenk es sein kann. 

Fotos

Fotos: Ulla Trampert / pixelio.de

Musik

Ayub Ogada

Job Seda oder besser bekannt unter dem Namen Ayub Ogada, der leider seit 2019 nicht mehr lebt, bringt für mich Afrika in mein Herz zurück. Mit seinem Instrument, der Nyatiti, einer 8-saitigen Laute, die in seinem Stamm, dem Stamm der Luo gespielt wird, und seiner weichen Stimme malt er mit Lauten die Bilder, die ich in meinem Jahr in Kenia in mir aufgesogen habe. Und er lässt die Sehnsucht erwachen, diese Erde wieder unter meinen Füssen zu fühlen....

"Kothbiro"

Vorschaubild - Youtube

"Obiero"

Vorschaubild - Youtube

Noch einmal "Kothbiro", seine letzte Aufführung

Vorschaubild - Youtube

Cee-Roo "Sounds of Africa"

Vorschaubild - Youtube

Jambo Bwana

Vorschaubild - Youtube

Filme

Mully Movie

Vorschaubild - Youtube

Nirgendwo in Afrika

Vorschaubild - Youtube

Jenseits von Afrika

Vorschaubild - Youtube
Heilarbeit für Menschen, Orte und die Erde 0