(Fotos: instinktknipser/pixelio.de)
Diejenigen, die als Erste kamen, waren die Aborigines. Vor 120.000 Jahren, so die aktuellen Zahlen, die ich kenne, haben sie begonnen, auf dem Kontinent zu leben. Durch die mündlichen Überlieferungen scheint hindurch, dass die Reise zur Balance mit der Natur, die die Indigenen heute verkörpern, nicht geradlinig verlief. Auch sie mussten lernen, mit diesen extremen Bedingungen fertig zu werden, machten Fehler und verbesserten sie. Über die Jahrtausende hat sich so eine Kultur entwickelt, die sich harmonisch in ihre Umgebung einfügt. Sie leben mit ihrer Umwelt, nicht gegen sie. Ihr Glauben ist auf's Tiefste mit dem Land und der Erde verwoben. Heute leben ca. 600.000 Aborigines im Land, ein Viertel von ihnen in selbstverwalteten Reservaten, weitab von der nächsten Siedlung. 3/4 in Städten.
1770 änderte sich die Situation im Land grundlegend. Die weißen Menschen entdeckten den Kontinent. Sie betrachteten sich als überlegene Rasse und handelten entsprechend. Bei ihrer Ankunft erklärten sie das Land, das damals von ca. 900.000 Aborigines aus ungefähr 300 verschiedenen Stämmen besiedelt wurde, als unbewohnt und nahmen es ganz für sich in Anspruch. England als "besitzendes Land" nutzt Australien, um dorthin seine Verurteilten abzuschieben und die eigenen Gefängnisse zu leeren. Die ersten Kontakte von Siedlern und Indigenen sind meist noch friedlich, unter Anderem, weil im Glauben der Aborigines, die Hautfarbe der Weißen mit der der Geister gleichzusetzen sind und sie damit einen besonderen Status verbinden. Das ändert sich jedoch mit dem stetig zunehmendem Strom neuer Menschen, die aus Übersee kommen. Der Platz wird eng, die Ressourcen des Landes sind nicht für so viele Menschen gemacht. Die Einheimischen werden abgedrängt.
Anfang des 19. Jahrhunderts eskaliert die Lage zusehends. Aborigines gelten für viele Siedler als Tiere. Nicht mehr. Männer werden kurzerhand getötet, Frauen vergewaltigt und das Land für sich selbst in Anspruch genommen. Dazu kommen eingeschleppte Krankheiten, wie Cholera, Grippe oder Pocken, gegen die die Einheimischen keinerlei Abwehrkräfte haben. Viele von ihnen sterben. Mitte des 19. Jahrhunderts wird ein "Chief Protector" eingesetzt, dessen Aufgabe es ist, Reservate für die Ureinwohner zu schaffen, um künftige Konflikte zu vermeiden und sich der Kinder anzunehmen. Ihnen sollen die Werte der westlichen Welt und des Christentums vermittelt werden. Ungefragt und ungeachtet der Tatsache, das die Indigenen ganz andere eigene Werte haben, die jedoch in den Augen der Weißen keinerlei Bedeutung besitzen. Die Aborigines werden von den Weißen genauso behandelt wie das Land selbst. Als ein leeres Gefäß, in es mit den "wahren Werten" zu füllen gilt. Dabei kommte es zu einer kompletten Entfremdung der Kinder von ihrer eigenen Kultur. Gleichzeitig werden sie in der weißen Welt niemals als gleichwertig behandelt sondern nur als Menschen 2. oder 3. Klasse die nur zum Bedienen benutzt werden.
Jeder Versuch, sich gegen diese Behandlung zu wehren, wird brutal niedergeschlagen. Die meisten Aborigines ziehen sich ins Hinterland zurück und versuchen so zu entkommen. Damit verurteilen sie sich selbst jedoch auch zu einem entbehrungsreichen Leben, denn es bleiben nur die unwirtlichsten Gegenden zum Leben.
1920, Australien hat schon seit dreizehn Jahren seine weitgehende Unabhängigkeit von Großbritannien erlangt, leben nur noch 60.000 Aborigines. Sie gelten als vom Außsterben bedroht. 1949, als eine der Folgen des zweiten Weltkrieges, in dem viele Aborigines mit kämpften, wurde ihnen die australische Staatsbürgerschaft anerkannt. Gleiche Bürgerrechte erhalten sie jedoch erst 1960. Ab jetzt können Aborigines wählen, Immobilien besitzen, Weiße heiraten und Rente beziehen. Die Bevormundung der Kinder geht jedoch weiter (siehe unten) bis in die 1970er Jahre.
Eine wirkliche Gleichberechtigung der Menschen im Alltag und vor allem in den Köpfen gibt es bis heute nicht. Es geschieht Annährung, aber Rassismus ist weit verbreitet und allgegenwärtig. Oft scheint an der Oberfläche alles gut zu sein, doch ein Blick hinter die Kulisse zeigt ein völlig anderes Bild. Die Weißen begreifen sich auch weiterhin als die "Besseren". Das gilt auch gegenüber den vielen Einwanderern aus allen Kontinenten, insbesondere aus Asien. Jedoch lange nicht so krass, wie gegenüber den Aborigines. Europäer messen ihre Überlegenheit an ihren äußerlich sichtbaren Leistungen. Es sind jedoch Leistungen, die das Land und seine Natur fast völlig aus dem Blick verloren haben. Immer deutlicher wird, dass dieser Weg in eine Katastrophe führt. Je klarer sich das zeigt, desto mehr besinnen sie sich auf das Wissen, das den Aborigines das Überleben auf diesem Kontinent ermöglicht haben. Es gibt ein Umdenken. Es gibt Annäherung. 2008 mit der sogenannten "Sorrow-Rede" des damaligen Premieministers, bei der sich die Weißen erstmals bei den Aborigines für ihr Verhalten entschuldigt haben, wurde ein weiterer Wendepunkt erreicht.
Doch das Umdenken geschieht trotzdem nur langsam. Und es muss in allen Bevölkerungsgruppen passieren. Die Europäer müssen sich von ihrem Glauben an die eigene Überlegenheit verabschieden und lernen das Wissen, die Fähigkeiten und das Wesen anderer Völker als gleichwertig zu verstehen.
Die Aborigines wiederum müssen sich von ihr Selbstbewußtsein finden.
Im Augenblick ist ihre Lage weiterhin äußerst schlecht. Die Arbeitslosenquote ist dreimal so hoch, wie die der Weißen, die Selbstmordrate ebenfalls. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt 17 Jahr unter der der anderen Australier. Armut, Drogen, Alkoholismus und Gewalt sind allgegenwärtig. Die Jahrhunderte der Unterdrückung und Entwurzelung haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Aus dieser Situation heraus ihren eigenen Wert, die Schätze in ihrem Glauben und das Geschenk ihrer Fähigkeiten wieder zu finden, ist keine leichte Aufgabe. Doch diesen inneren Prozess kann ihnen niemand abnehmen. Und er geschieht bereits. Überall spürbar in kleinen Schritten.
Am Ende geht es darum, miteinander zu gehen. Jede der heutigen Bevölkerungsgruppen hat etwas ganz Eigenes, Unverwechselbares in sich, das dieses Land zu einem wundervollen bunten Teppich der Vielfalt machen könnte. Ich wünsche ihnen, das es gelingt.
Momentan leben (Stand 2020) mehr als 25,5 Millionen Menschen auf dem Kontinent. Eine Prognose für 2050 geht von 37 Millionen aus. Wie das bei den natürlichen Gegebenheiten überhaupt gehen soll, ist eine völlige Unbekannte.