Glauben

(Fotos: sparkie/pixelio.de)

Ca. 25% der Australier bezeichnen sich selbst als Atheisten. 60% gehören dem christlichen Glauben an, insbesondere dem Katholischen. 2,6% der Australier betrachten sich selbst als Moslems, 2,4% als Buddhisten, 1,9% als Hindus, 0,5% als Sikhs und 0,4% als Juden. Durch die christliche Missionierung gehören 73% der Aborigines heute dem Christentum an. Nur 1,3% aller Indigenen bekennen sich zu ihrem eigenen Glauben von der Traumzeit.  

 

Doch genau in diesem Glauben verkörpert sich für mich nicht nur die Seele des Landes sondern ist auch durch sein Alter und die lückenlose Überlieferung durch die Jahrtausende die direkteste Verbindung in unser aller Geschichte. Für mich stellt sie so etwas wie eine sehr klare und reine Blaupause unseres Ursprungs dar.

 

Im Glauben der Aborigines begann alles in der Traumzeit. Das ist der Begriff, den wir kennen. Doch die eigentliche Bedeutung ist: "etwas, das von Anfang an bis in alle Ewigkeit vorhanden ist." In diesem universellem, zeit- und raumlosen Welt entsteht die reale Gegenwart in einem ständig fortgeführtem Schöpfungsprozess. Aus dieser Gegenwart heraus füllt sich ihrerseits die Traumzeit wieder mit neuen Impulsen.

In der Schöpfung der Aborigines haben Ahnenwesen, oft riesige Tiere oder Menschen, das Land geformt, das bis dahin noch kein eigenes Gesicht hatte. Ihre Traumzeitreisen hinterliessen Spuren, die Tausende von Kilometern reichen. Berge, Wasserlöcher, Seen, Tier- und Pflanzenarten - alles wurde auf diesen Reisen geschaffen. Alle diese Spuren sind heilige Plätze, die sich wie in einem Netz miteinander verbinden. Jede der 900 verschiedenen Gruppen der Aborigines haben ihre eigenen Ahnenwesen, ihre eigene Traumzeit und folgten ursprünglich deren Spuren über den Kontinent.

 

Diese Spuren, der Weg ist in Form von Songlines überliefert. Mittels Stimmen, Klängen und Tönen sind sie genau bestimmt. Spezielle Songmen und Songwoman achteten darauf, dass die Reihenfolge der Laute exakt eingehalten wurde. So konnten sich Aborgines überall orientieren. Es gibt sogar Untersuchungen, die bestätigen, dass auch der Erdmagnetismus in die Songlines eingewoben worden ist. Das Mittel war das Einreiben mit rotem Ocker. Es ist ein Stoff, der Eisenoxid enthält. Das wiederum bewirkt eine Sensibilisierung der Zellen im Körper, sodass derjenige, der den Ocker auf der Haut trägt das Magnetfeld fühlen kann. Ähnliches gilt für das Tragen von speziellen Vogelfedern, die ein magnetisch hochsensibles Protein enthalten. Aborigines konnten demnach die Energieadern der Erde fühlen. 

 

Doch die Verbindung reicht noch wesentlich tiefer. Ihrer Schöpfungsgeschichte nach, sind sie eins mit allen Wesen. Mit der Erde, den Pflanzen, den Tieren, den Mineralien. Alles kommt aus der gleichen Quelle und kehrt auch dorthin zurück. Aufgrund dieser energetischen Einheit ist es mit einer klaren Intuition auch fühlbar, welchem Traum ein anderes Wesen folgt, das heißt, wer es in seinem Inneresten wirklich ist. Wenn diese Verbindung wirklich offen ist, wenn also die eigene Wahrnehmung dafür existiert, dann ist die Erde, über die man geht gespiegelt im eigenen Körper. 

Ein Ahnenwesen, dem eine besondere Stellung zukommt, ist die Regenbogenschlange. Sie hat ihren Ursprung im dunklen Strich der Milchstraße. Über die "Schlange des Nordens" (den Nordpol) empfängt unser Planet universelle Energie, leitet sie in das Innere der Erde und vermischt sich mit dem innerirdischen Magnetismus. Am Südpol, der "Schlange des Südens", treten diese Energien wieder aus und verteilen sich von dort netzförmig über die gesamte Erde. Diese wachstumsbringende erdmagnetische Verteilung sind für die Aborigines die Bewegungen der Regenbogenschlange. Dieses irdische Pendant kosmischer Energie hat auf der Erde in Form einer Schlange von enormer Größe und lebt in den tiefsten Tiefen australischer Wasserstraßen. Den Menschen offenbart sie sich als Regenbogen, während sie sich selbst durch Regen und Wasser bewegt, Landschaften formt und Orte benennt und besingt.

 

So, wie Traumzeit und Jetztzeit wechselseitig verbunden sind, gilt das auch für die Seele des Menschen. Die Aborigines kennen meist zwei Seelen. Eine im Hier und Jetzt und einer in der anderen Welt. Diese zweite Seele hat alle Erfahrungen gespeichert, die ein Wesen je gemacht hat, egal in welchem Leben. So hat ein Mensch Zugang zu Wissen, das er selbst jetzt nicht gesammelt hat und kann Vergangenheit und Zukunft mit der Gegenwart verbinden. 

 

Wenn ein Aborigines stirbt, kehrt er - sofern alle erforderlichen Zeremonien durchgeführt worden sind - in die Traumzeit zurück. Es ist eine Rückkehr in den Mutterleib aller Zeiten. Der Geist verbindet sich wieder mit der ganzen Natur, mit all seinen Vorfahren und mit seiner eigenen persönlichen Bedeutung und seinem Platz im Schema der Dinge. Für die Ureinwohner bedeutet das dir Rückkehr zur realen Existenz. Das Leben verstehen sie als eine vorübergehende Phase - eine Lücke in der Ewigkeit. 

 

Die Veränderung des Landes durch die Europäer hat für die Aborigines also eine existenzielle Bedrohung. Mit dem Bau von Straßen und Städten, mit der Umformung der Natur wird ihnen ihr Wesen genommen beziehungsweise bis zur Unkenntlichkeit verändert. Es ist nicht nur eine Entwurzelung, es ist praktisch die Auslöschung der eigenen Seele, weil die Songlines die Verbindungen zur Traumzeit darstellen. Werden sie zerstört, ist auch die Verbindung zerstört.

Heilarbeit für Menschen, Orte und die Erde 0