Persönliche Eindrücke

Fotos: imageworld24 / pixelio.de

Von wegen Vorurteile. Alles das, was ich über Deutsche im Ausland schon gehört habe, stimmt. Und mittlerweile schockt es mich nicht mehr, sondern macht mich stolz. Fast immer ;-)

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Es ist zum Beispiel wunderbar, das Dinge, wie ein Uhrwerk ablaufen. Es ist toll, das ein Bus wirklich zu der Zeit auftaucht, die auf einem gut sicht-, les- und verstehbarem Fahrplan aushängt. Es macht Freude, sich auf Aussagen verlassen zu können und nicht erst irgendein inneres Übersetzungsmodul einstellen zu müssen. Die Arbeit beginnt, so wie es geplant ist, eine Projekt wird dann fertig, wenn es geplant wurde. Ausnahmen, wie den Berliner Flughafen lasse ich jetzt einfach mal die Regel bestätigen ;-).

 

Ich geniesse die Sprache, die mit ihrer nüchternen Direktheit alles sofort auf den Punkt bringen kann, aber gleichzeitig jeden Spielraum zum Jonglieren lässt, wenn man es nur will. Es hängt alles von der Intention des Benutzers ab. Man kann wunderschöne Bilder malen, wie ein Rilke in seinen Gedichten oder etwas klarer und fast schon nüchterner den Spuren Goethes folgen. Man kann die Beamtensprache nutzen, die aus vielen Hauptwörtern Gebilde zaubert, die an Effektivität nicht zu überbieten sind. Man kann aber auch genau diese Möglichkeit nutzen, um ganz eigene Wortgebilde zu erfinden, die so nie vorkamen und natürlich schon gar nicht geplant waren. Weder vom Duden noch von sonst wem.

 

Ich finde auch die Berechenbarkeit des menschlichen Tagesablaufs genial, weil es dadurch viel, viel leichter ist, den großen Menschenströmen aus dem Weg zu gehen und Stille zu finden. Jeden Morgen zur selben Zeit beginnen die Autos zu fahren. Der Weg zu den Büros, zur Arbeit ist eröffnet. Das Ende der Schule ist berechenbar und natürlich auch die Feiertags-Rush-Hour. Keiner schert wirklich aus der Reihe, falls es sich irgendwie vermeiden lässt. Wenn man diese Struktur versteht, dann ist es ganz einfach, anders zu sein. Vielleicht habe ich mir ja deshalb dieses Land zum Leben ausgesucht... 

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Natürlich, es gibt auch eine Kehrseite der Medaillie. Da wäre zum Beispiel die aufgeräumte Nüchternheit von Wohnsiedlungen und Häusern. Die Fülle an Regeln, die jede Individualität, Kreativität und alle Ansätze von Gestaltungswillen zu einem aufrührerischen Akt macht. Hier muss man Revolutionär werden, um seinen eigenen Weg zu gehen. Auch das setzt ungeahnte Kräfte frei. Und ist damit eigentlich schon wieder positiv.

 

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Diese Durchorganisiertheit des hiesigen Lebens ist sicherlich auch einer der Gründe, warum wir Deutschen uns so gern in anderen Ländern tummeln. Denn Gesetze und starre Strukturen schreien natürlich nach Ausgleich. Irgendwie und irgendwo muss man der Enge des Korsetts entfliehen. Irgendwie muss man einen Weg finden, um die Tage, Wochen, Monate zwischen den Urlauben zu überleben. Das oft genug der Urlaub genauso durchstrukturiert, geplant und vorgefertigt wird, wie der Alltag, bleibt der wirkliche Erholungseffekt oft aus. Entsprechend groß lebt die Sehnsucht nach einem neuen Versuch in den Herzen. 

 

Der aber wird nur gelingen, wenn man das innere Korsett aus Sicherheitsdenken gleich mit zu Hause lässt und sich vertrauensvoll in die vollkommen anderen Rhythmen französischer Geniesserfreude, portugiesischer Gelassenheit oder italienischer Emotionalität fallen lässt.

 

Wem es gelingt, der will am liebsten gleich ganz da bleiben. Und so gibt es überall auf der Welt deutsche Auswanderer, die ein anderes Leben wagen. Oft stolpern sie dann über die Tatsache, das das neue Land nunmal nicht Deutschland in lockererem Gewand ist sondern eben ganz und gar anders. Vielleicht wäre es besser, einfach hier zu bleiben, und aus den neuen Einflüssen und Erfahrungen eine kleine Oase mittendrin in diesem Land zu schaffen. Denn ansteckend ist das allemal.

 

Weil, schließlich hat jeder irgendwo ähnliche Sehnsüchte. Sonst wäre dieses Land nicht übersät von Reisebüros und Reiseveranstaltern. Sonst wären Reisemessen, wie die Berliner ITB nicht der Hit. Und sonst würde man seine Nachbarn nicht im entferntesten Winkel dieser Erde wieder treffen. 

 

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Auch eine spannende Eigenschaft ist die Scham, Deutscher zu sein. Dieser unglaublich intensive Rattenschwanz, den wir mit unserer Geschichte in uns tragen. Er lässt uns im Ausland entweder am liebsten unsichtbar werden und sofort zusammenzucken, wenn irgendwo deutsche Landleute auftauchen. Die Schritte gehen dann automatisch in die andere Richtung. Oder sie führt dazu, das wir nach Zustimmung bei anderen Deutschen suchen und nur noch zusammenhocken. Das eine nennt sich Individualtourismus, das andere Clubhotel. 

 

Nein, mit unserer Geschichte sind wir überhaupt nicht im Reinen. Es war schön zu erleben, das so ein bisschen Stolz am Aufblitzen ist, bei dieser wunderbaren Fußball-WM, die in Deutschland stattfand. Diese einfache, pure Freude auf die eigene Nationalität. Ganz ohne Zusammenzucken beim Erklingen der Hymmne oder Angstschweiß, wenn irgendwer die deutsche Fahne schwenkt. Aber im Allgemeinen sehen wir uns immer noch als Täter. Als Zeitbomben, aus denen jederzeit irgendwo ein Nazi heraussteigen könnte. Unsere eigenen dunklen Flecken sind uns überhaupt nicht geheuer. Und deshalb tun wir uns sehr, sehr schwer, einfach nur wir selbst zu sein.

 

Wir tun uns schwer darin, unsere Meinung zu sagen. Vor allem in der Politik dieser Welt. Und insbesondere gegenüber Israel. Wir fühlen uns unter ständiger Beobachtung, dabei sind es zuallererst wir selbst, die wir uns mit unserem stetigen Selbstverurteilen permantent hinrichten. Es ist ein langer Weg, die Anklagebank zu verlassen. Aber er führt auf der anderen Seite auch zu einer beispiellosen Beschäftigung mit der eigenen Geschichte. Und zwar, ohne Punkt und Komma und ohne Selbstbeweihräucherung. Typisch nüchtern halt. Das ist etwas, das ich in vielen Ländern schmerzlich vermisst habe. 

 

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Zu guter Letzt muss ich noch etwas erwähnen. Diese Effizienz und der Willen, vorwärts zu gehen. Ich beschreibe es mal am Beispiel des Umweltschutzes. Ich kenne kein Land, in dem diese Sache so ernst genommen wird. Natürlich, wir verheddern uns auf dem Weg immer wieder gekonnt in der eigenen Falle der Regelwut, aber der Willen, wirklich etwas zu verändern, ist enorm. Und eines ist klar, wenn wir Deutschen mal etwas beginnen, dann führen wir es auch zu Ende. Egal, wieviel Atem es braucht. 

 

Die Effektivität und Durchdachtheit unserer Häuserbauweise ist auch fantastisch. Hier gibt es Energiebilanzen, von denen man andernorts nicht einmal träumt. Ein kleiner Vergleich mit England ist hier ganz heilsam, um auf uns selbst stolz zu sein. Hier gibt es Bioläden in Größen und mit einer Vielfalt, die ich sonst nirgendwo gesehen habe. Und um bei Bioläden zu bleiben - die meisten Produkte, die ich irgendwo auf der Welt in Biolädchen finden kann, stammen aus Deutschland. Und wenn ich dann mal wieder, nach langem Suchen, diesen kleinen bunten Bioladen in Stockholm gefunden habe, dann freue ich mich schon im Voraus, auf das himmlische Angebot, das mich zu Hause in Deutschland erwartet. Und zwar an jeder Ecke. 

 

Man kann auch über unseren stotternden Atomausstieg sagen, was man will. Wir mögen Zickzacklinien ohne Ende ziehen und immer mal wieder vor der eigenen Courage den Mut verlieren, aber die Richtung ist vollkommen klar. Und damit sind wir sogar Ländern, wie Schweden, die sogar (trotz beschlossenem Ausstieg) neue Atomkraftwerde planen, weit voraus. 

 

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Also, ich habe allen Grund stolz auf dieses Land zu sein. Es hat mir alles geschenkt, was es brauchte, um in meine Kraft zu kommen. Und ich werde immer, immer, immer wieder sehr gern zurückkommen. Denn hier ist meine Heimat, meine Wurzel und mein Ursprung in diesem Leben auf dieser Erde..... Einen besseren hätte ich mir nicht ausdenken können!

Heilarbeit für Menschen, Orte und die Erde 0