Persönliche Eindrücke  (Foto: cornerstone / pixelio.de)

Meine Liebesbeziehung mit Frankreich begann mit der Sprache. Diese Sprache, die für die Franzosen so heilig ist, das es dafür eine eigene, hoch angesehene, Akademie gibt, die achtsam darüber wacht, dass sich keine fremden Wörter einschleichen. Ich kann es irgendwie verstehen, auch wenn diese Absicht nicht funktionieren kann. Sprachen sind lebendige Gebilde, die sich weiterentwickeln, vermischen und erneuern. Das lässt sich nicht künstlich verhindern. Die Frage ist nur, ob man bei der Assimilierung der vielen Anglizismen die eigene Identität verliert oder nicht. Ich glaube, da gibt es keine Gefahr. Französisch ist viel zu schön, um einfach zu verschwinden. Auch wenn mir die Grammatik schon viele graue Haare beschert hat, von den verschiedenen Akzenten, die alle an den richtigen Platz gesetzt werden möchten, ganz zu schweigen. Doch dieser Klang, was für ein wunder-, wunder-, wunderbarer Klang. Und was für eine unglaubliche Eleganz.

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Fotos:

Erfahrungsorte

Diese Kathdrale ist die pure Überraschung für mich. Dabei wußte ich nicht einmal, das sie existiert. 

Ich bin nicht wegen ihr nach Bayeux gekommen. Ich wollte mir nur den Teppich anschauen, der hier ausgestellt wird. Der Teppich, der von Wilhelm dem Eroberer erzählt, von der Schlacht von Hastings und der Gründungsstunde der Normandie.

Auf dem Weg ins Museum komme ich an der Kathedrale vorbei und bin völlig fasziniert. Das, was ich in Chartres schmerzlich vermisst habe, strahlt mir hier in abslouter Perfektion entgegen. Mein Wort dafür ist Harmonie.

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Cathédrale Notre Dame - Chartres  (Foto: Peter Heinrich / pixelio.de)

Ja, hier ist Kunst. Hier ist Pracht. Aber wo ist die Seele? Ich kann sie nicht fühlen. Ich fühle nur Größe, pure Größe; eine Art Verherrlichung menschlicher Schöpferkraft. Sie wurde geschaffen für einen Gott, der Größe will. Einen Gott, für den größer besser ist. Zumindest ist es genau das, was die Menschen glauben und das, was sie hier darstellen. Genau das ist es, was Chartres für mich kalt macht. Es macht es zu einem Ort, der Oberflächligkeit. Eine Huldigung an das pure Äußere. Eine wunderschöne, leere Hülle. Ich sehe diese Detailtreue, diese Kreativität, die Kunstfertigkeit. Ich weiß, dass hier auch Gemomanten ins Schwärmen kommen sollen. Für mich jedoch gibt es keinen Zugang. Ich sehe nur, dass sie hier die Kunst selbst feiert und ihren eigenen Altar erschafft. 

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Warum schaffen wir solche Tempel der Kunst eigentlich? Warum versammeln wir alle diese Schönheit an einem einzigen Ort? Es ist ein Ort, der so groß ist, dass die einzelnen Stücke untergehen in einem Meer an Vielfalt. Sie können gar nicht mehr wirklich wahrgenommen werden. Sie können gar nicht mehr wirklich geschätzt werden. Es ist eine Überflutung für alle Sinne. Wieviele Tage, Wochen, Monate, Jahre bräuchte es, um jedes dieser Werke nur wenige Sekunden lang anzuschauen? Wie lange bräuchte es, um sich von ihnen tatsächlich im tiefsten Inneren berühren zu lassen?

 

Ich weiß, wie diese Sammlungen entstanden sind. Ob nun hier oder an anderen Orten der Welt. Sie sind das Ergebnis unendlicher Sammlerleidenschaft. Und das Ergebnis einer Gesellschaft, in der die Schönheit nur Wenigen zustand. Denen, die dafür zahlen konnten. Ich weiß, das ist ein Versuch, sie allen zugänglich zu machen.

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Musée de l'Orangerie - Paris  (Foto: Harald Schroeder / pixelio.de)

Claude Monet's Bilder, die mich seit jeher fasziniert haben, sollen in diesem Museum eigentlich besonders gut zur Geltung kommen. Lobeshymnen über Lobeshymnen habe ich vorher gelesen. Und ich habe von diesen Räumen gehört, die speziell für diese Bilder so gebaut worden sein sollen. Ich freue mich darauf. Ich habe Lust, in den Farben und diesem wunderbaren Licht zu versinken. Aber es kommt ganz anders.

 

Während alle Menschen um mich herum andächtig staunend auf die in der Mitte installierten Bänke sinken, verschließt sich mein Herz. Die ganze Schönheit der Werke, die ich kenne ist verschwunden. In der Größe dieser Räume, in der bedingungslosen "Zur Schau Stellung" desselben Motivs in immer neuen Varianten, wird meine Seele überflutet. Zurück bleibt nichts. Nur Überdruß.

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Es ist früher Morgen. Ich laufe durch die Frische an der Seine entlang und treffe vor dem Museumseingang doch schon eine bunte und vor allem große Menge kamerabehängter Touristen, die alle das gleiche wollen, wie ich. Hinein. Eigentlich bin ich auf einen ganzen Tag voller Entdeckungen eingerichtet, aber am Ende sind es nur drei Werke in diesem großen Komplex, die mich berühren. Alles Andere nehme ich nur im Vorbeigehen wahr. Nichts davon spricht zu mir. Aber diese drei haben es in sich. Sie stammen von van Gogh und Rodin.

 

Vincent van Gogh ist schon lange einer meiner Lieblingsmaler. Spätestens seit ich im Rijksmuseum von Amsterdam seine Bilder betrachtet habe, fühle ich eine Art von Verstehen und Wesensverwandschaft. Jetzt verstärkt sich das. Seine "Kirche von Auvers" und die "Sternennacht über der Rhône" bringen eine Saite in mir zum Klingen.

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Ich habe Rodin bisher für einen Menschen gehalten, den die Liebe inspiriert hat. Kein Künstler, den ich kenne, ist in der Lage gewesen, den menschlichen Körper so vollendet darzustellen. Keiner hat einem Stein so ein Leben einhauchen können. Nirgendwo habe ich die Vollkommenheit der Proportionen so klar fühlen können. Niemand hat für mich das Mensch-Sein so sehr umarmt, wie Rodin.

 

Und nun stehe ich hier, in seinem Haus in Paris und werde mit seiner anderen Seite konfrontiert. Mit der Seite des Glaubens. Mit einer Zerissenheit im Inneren dieses Künstlers, die meine Knie weich werden lassen und mein Herz ganz schwer. 

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Heilorte

Fort Douaumont - Verdun  (Foto: Erwin Lorenzen / pixelio.de)

Verdun hat seinen Einfluß weit voraus geworfen. Ich habe mich schon lange mit der Geschichte des Ersten Weltkriegs beschäftigt, mit den Hintergründen und mich durch alle Bücher gelesen, die ich zu dem Thema finden konnte. Ich habe gefühlt, dass ich auch an den Platz des Geschehens muss.

 

Aber ich sträube mich dagegen. Ich will dieser Erfahrung ausweichen. Ich habe Angst, dass ich mit den Gefühlen, die dort auf mich einstürmen, nicht klar kommen kann. Ich denke an den Schmerz, das Leid, das Sterben, die Hoffnungslosigkeit, die Wut und den Wahnsinn des Krieges. Bin ich so einem Ort gewachsen?

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Kraftorte

Paris ist purer Wahnsinn. Ich habe niemals so viele Menschen auf einem Platz gesehen. Stau. Verrückte Autofahrer. Jeder hat es unendlich eilig. Jeder fährt kreuz und quer und sucht nach einem winzigen Vorteil, einer winzigen Lücke, um ein paar Zentimeter schneller zu sein. Menschen. Menschen. Menschen. Ein Kessel aus angestauten Gefühlen. Bunt und scharf wie ungarischer Schaschlik. Die Straße führt an der Seine entlang. Ich sehe nur Menschen und Autos. Tausende. Die ganze Welt hat sich hier versammelt. Hier, im Herzen von Paris. Bei Notre Dame. 

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Kaum ein Platz hat mich je so angezogen, wie Mont St. Michel. Er ist für mich wie ein Magnet. Ich fahre quer durch die Normandie zu ihm und setzte alles daran, noch am Abend vor meinem Besuch einen Blick auf ihn zu erhaschen. Aus weiter Ferne begrüßt er mich. Erst dann kann ich schlafen, in dieser Nacht. Die Fahrt am Morgen führt mich über die Küstenstraße von Cotentin hinüber. An einer Stelle weitet sich der Blick und gibt die gesamte Bucht von Mont St. Michel frei. Er liegt vor mir, zu meinen Füßen, ragt heraus aus der weiten Ebbe-Landschaft des Meeresbodens. Die Sonne kommt heraus und verschenkt ihr schönstes, dunstiges Morgenlicht.

 

In diesem Augenblick fühle ich, dass Mont St. Michel eines meiner "zu Hauses" ist. Ein Platz, der in meiner Seele Heimat heißt. Ich fahre nach Hause. Dieses "zu Hause" ist ein Feen-Platz.

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Diesen Schatz zu finden, ist nicht ganz einfach, auch wenn der mitten auf der Île de la Cité liegt, im Herzen von Paris. Doch von Außen ist nichts zu entdecken, was auch nur ansatzweise auf eine Kirche hinweisen könnte. Da warten nur die dicken Mauern des Justizpalastes und eine endlos lange Schlange von Menschen.

 

Es dauert lang, dieses Anstehen. Jeder, der hineinwill, wird auf Herz und Nieren geprüft. Metalldetektor, Durchleuchten, Abtasten, das ganze Programm. Und kaum bin ich endlich über diese erste Hürde gesprungen, wartet schon die nächste Schlange vor dem Eingang der eigentlichen Kapelle. Ich habe also mehr als genug Zeit, um mir das Äußere genauer anzuschauen. Doch viel gibt es da nicht zu sehen. Die Zeit dehnt sich.

 

Das alles vergesse ich sehr schnell, als ich die ersten Schritte hinein gehe. Auch wenn ich ahnte, was mich erwartet, mit fehlen die Worte.

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Musik

ZAZ - "Je veux"

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Edith Piaf - "Non, Je ne regrette rien"

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Filme

"La vie en rose"

Das Leben der Edith Piaf in diesem wunderbarem Film...

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"Johanna von Orleans"

Jeanne d'Arc ist eine der, vielleicht sogar die wichtigste Figur der französichen Geschichte. Ihr Leben ist ein Rätsel, bis heute. Ihre Rolle war unglaublich wichtig für das Selbstverständnis eines ganzen Landes. Sie gab Hoffnung und Kraft, als alles verloren schien. Und starb am Ende durch Verrat. Ein so kurzes Leben und eine so große Bedeutung.

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"Welcome"

Bilal will nach London. 4000 Kilometer ist er schon als Flüchtling um die halbe Welt unterwegs gewesen. Bis nach Frankreich hat er es geschafft. Jetzt versperrt nur noch der Ärmelkanal seinen Weg. Die Fähren sind unmöglich. Also bleibt nur - Schwimmen. Doch dazu muss er es erst einmal lernen. Der Film ist tief berührend. Denn er zeigt nehmen der Unmenschlichkeit von Asylpolitik auch die Kraft von Herz und Willen. 

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"Ziemlich beste Freunde"

Hier werden zwei Themen meisterhaft zu einem grandiosen Film verbunden: Wie geht man mit einem Behinderten um und wie schaut das Leben der "unteren Klassen" Frankreichs eigentlich aus? Es könnte nicht besser dargestellt werden. Mit Witz und Tiefe zugleich. Genial!

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"Die fabelhafte Welt der Amélie"

Amélie ist die zauberhafte Fee ihrer Mitmenschen. Als genaue Beobachterin voller Mitgefühl und Herz spürt sie all die kleinen Geschenke auf, die Anderen die Augen zum Strahlen bringen. Nur sich selbst vergisst sie dabei - bis auch ihr ein Engel begegnet... So, wie sie einer ist. Ein wundervoller Film...

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"Die Kinder des Monsieur Mathieu"

Die Kraft der Musik erhält hier wieder eines der berührenden Denkmäler. Dieses Mal sind es Schüler aus schwierigen Verhältnissen, die in einem Internat leben. Rebellierend, hoffend und vergessen. Aus ihnen wird ein Chor, ein wundervoller Chor... Das Ende ist bittersüß. Leider. Doch die Geschichte hat ihren Zauber nicht verloren.

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"Die Klasse"

Das ist praktisch ein Tatsachenbericht des Alltags an einer Pariser Schule. Eine Schule aus der Péripherie. Und damit einer Problemschule. Der Film basiert auf wirklichen Erlebnissen und wurde mit direkter Mitwirkung der, ebenfalls echten, Schüler entwickelt. Sehenswert, um diese Seite französischer Realität besser zu verstehen.

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"Madame Mallory und der Duft von Curry"

Sterne-Küche trifft Indien. Standesdünkel begegnet dem Durchhaltewillen einer Migrantenfamilie. Die gesamte Welt französischer Küchen-Selbstdefinition wird hier auf geniale Weise mit dem Thema Rassismus verbunden. 

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"Die Köchin und der Präsident"

Noch einmal ist die französische Küche das Thema, doch dieses Mal wird auch dabei gleichzeitig die Einstellung gegenüber Frauen ins Rampenlicht gerückt. Und es ist keineswegs charmant, was es da zu entdecken gibt. 

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"Chocolate"

Genuß. Genuß. Genuß. In einem fiktivem französischen Städtchen kommt eine Reisende an. Sie eröffnet etwas, was die Herzen der Einwohner buchstäblich schmelzen lässt. Eine Choclaterie. Ihre Rezepte sind zauberhaft, ihr Wesen auch... 

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"Willkommen bei den Sch'tis"

Die berufliche Versetzung vom schönen, warmen Südfrankreich in den Norden ist eine echte Strafe. Nicht nur, dass das Wetter hier schrecklich sein soll, auch die Einwohner sind reichlich eigenartig. Hier prallen zwei Welten aufeinander. Es ist ein Film für die Lachmuskeln, in jeder Beziehung. Ein Film, der Vorurteile entkräftet und zum Miteinander aufruft, auf herrliche leichte Art.

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Heilarbeit für Menschen, Orte und die Erde 0