Cathédrale Notre Dame - Chartres  (Foto: loupe / pixelio.de)

Ja, hier ist Kunst. Hier ist Pracht. Aber wo ist die Seele? Ich kann sie nicht fühlen. Ich fühle nur Größe, pure Größe; eine Art Verherrlichung menschlicher Schöpferkraft. Sie wurde geschaffen für einen Gott, der Größe will. Einen Gott, für den größer besser ist. Zumindest ist es genau das, was die Menschen glauben und das, was sie hier darstellen. Genau das ist es, was Chartres für mich kalt macht. Es macht es zu einem Ort, der Oberflächligkeit. Eine Huldigung an das pure Äußere. Eine wunderschöne, leere Hülle. Ich sehe diese Detailtreue, diese Kreativität, die Kunstfertigkeit. Ich weiß, dass hier auch Gemomanten ins Schwärmen kommen sollen. Für mich jedoch gibt es keinen Zugang. Ich sehe nur, dass sie hier die Kunst selbst feiert und ihren eigenen Altar erschafft. 

Hier haben sich augenscheinlich die Besten der Welt versammelt und alle ihre Fähigkeiten hineinfließen lassen. Daraus entstanden ist jedoch kein großes Ganzes sondern eine Art Puzzle. Ein Fragment. Nichts passt so richtig zusammen an allen diesen im Einzelnen so hinreißenden Elementen aus Schönheit. Irgendwie konkurieren sie miteinander, versuchen sich gegenseitig in ihrer Vollkommenheit zu überbieten und nehmen dem Ganzen genau dadurch seine mögliche Harmonie. Ich sehe sehe diesen prachtvollen Königseingang, die lichtdurchfüllte Apsis. Es ist als hätte wirklich jeder Künstler nur für sich gebaut und sein eigenes Denkmal in Stein gemeißelt. Ich fühle weder Verbindung noch Zugehörigkeit zwischen diesen einzelnen Teilen. Es fehlt der verbindende Gedanke, das vereinigende Gefühl. Es fehlt das echte Zusammenspiel, das Aufeinander lauschen und miteinander erschaffen. Und dafür sollte doch der Glaube der Liebe stehen. Ist es nicht das, was das Christentum eigentlich ausmachen sollte? Die Liebe? Und damit die Verbundenheit? Nicht das Konkurrieren um die schönsten Elemente?

Chartres - für mich ist es ein Ort, der aus dem Kopf heraus entsteht ohne auf das Herz zu lauschen. Es ist eine zerrissene Pracht. Und es bleibt eine wurzellose Größe.

Jetzt verstehe ich, warum ich so einen starken Widerstand gefühlt habe, überhaupt hierher zu kommen. Ich wußte, dass ich etwas ganz anderes finden würde, als das, was die Lobeshymmnen und Bücher suggerierten. Es ist so schade... Wie anders könnte es sein, wenn das hier wirklich gemeinsam und Hand in Hand geschaffen worden wäre. Was könnten wir erschaffen... Himmel.

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