Diesen Schatz zu finden, ist nicht ganz einfach, auch wenn der mitten auf der Île de la Cité liegt, im Herzen von Paris. Doch von Außen ist nichts zu entdecken, was auch nur ansatzweise auf eine Kirche hinweisen könnte. Da warten nur die dicken Mauern des Justizpalastes und eine endlos lange Schlange von Menschen.
Es dauert lang, dieses Anstehen. Jeder, der hineinwill, wird auf Herz und Nieren geprüft. Metalldetektor, Durchleuchten, Abtasten, das ganze Programm. Und kaum bin ich endlich über diese erste Hürde gesprungen, wartet schon die nächste Schlange vor dem Eingang der eigentlichen Kapelle. Ich habe also mehr als genug Zeit, um mir das Äußere genauer anzuschauen. Doch viel gibt es da nicht zu sehen. Die Zeit dehnt sich.
Das alles vergesse ich sehr schnell, als ich die ersten Schritte hinein gehe. Auch wenn ich ahnte, was mich erwartet, mit fehlen die Worte. Blaues Licht, Farbe, lichte Schönheit. Vom Boden bis zur Decke reichen diese prachtvollen Glasmosaikfenster. Alles, was ich von anderen Kirchen kenne, ist hier in absoluter Brillianz vereint.
Ich würde mich am liebsten in die Mitte auf den Boden legen und nur schauen und fühlen. Aber da ist kein Platz. Alles ist voller Menschen und eine Seite der Kirche bedeckt eine graue Schutzmauer aus Pappe. Dahinter wird restauriert. So wird es unmöglich, ein Foto vom gesamten Raum zu machen. Es bleiben Fragmente. Auch in mir.
Ich kann mich nicht so konzentrieren, wie ich es mir wünsche und ein echter Zugang zu diesem Ort bleibt mir veschlossen. Aber meine Augen trinken die Kunst und werden kaum satt. Es ist unglaublich, welche Details hier in den Himmel ragen. Wieviel Liebe, Kreativität und Schönheit auf engstem Raum versammelt sind.
Das soll einfach nur eine Palastkapelle gewesen sein? Es macht mich traurig. Soviel Brillianz auf kleinstem Raum. Aber was ist mit dem Rest der Welt? Was ist mit dem Rest, der nach solcher Sorgfalt und solchem Können dürstet? Der geht leer aus? Warum schaffen wir Menschen dort einen Mini-Himmel und lassen ihre nächste Umgebung in der Profanität ersticken? Ist es nicht Indikator genug, das die Menschenmassen dieses Kapelle trotz seiner "Verstecktheit" geradezu stürmen? Zeigt das nicht mehr als deutlich, welcher Hunger nach Schönheit in uns allen lebt? Ich kann jeden verstehen, den es hierherzieht und der mit offenem Mund vor der Großartigkeit erstarrt. Schließlich geht es mir genauso.
Auch ein Stockwerk tiefer bleibt, das in einer ganz anderen Art genauso prachtvoll schimmert, bleibt meine Traurigkeit. Es ist für mich weiter unmöglich, Kontakt mit der Erde unter mir aufzunehmen. Ich spüre nur, das ich dem eigentlichen Zentrum samt seiner Energie hier viel näher bin, als eben noch. Um mich herum herrscht ständiges Kommen und Gehen. Gespräche. Kommentare. Kameras. Alles lenkt mich ab.
Und so gehe ich am Ende zwar irgendwie erfüllt aber auch frustiert. Die Seele dieses Ortes ist mir verschlossen geblieben. Ich bin noch nicht klar und stark genug, um alle diese Ablenkungen aus Lärm und Menschen um mich herum ausblenden zu können. Ich kann auch die Ausstrahlung des Justizpalastes nicht vergessen. Es drückt mich in den Boden. Wie sehr sehne ich mich danach, diesen Ort so fühlen zu können, wie er wirklich gemeint ist. Das jetzt war nur eine schwache Ahnung, die sich auf das rein Äußerliche bezieht. Ich weiß, da ist unendlich viel mehr...