Persönliche Eindrücke (Fotos: Cornerstone - Rainer Sturm - Didier Derrien - Rike - Susanne Gottschalk / pixelio.de)

Meine Liebesbeziehung mit Frankreich begann mit der Sprache. Diese Sprache, die für die Franzosen so heilig ist, das es dafür eine eigene, hoch angesehene, Akademie gibt, die achtsam darüber wacht, dass sich keine fremden Wörter einschleichen. Ich kann es irgendwie verstehen, auch wenn diese Absicht nicht funktionieren kann. Sprachen sind lebendige Gebilde, die sich weiterentwickeln, vermischen und erneuern. Das lässt sich nicht künstlich verhindern. Die Frage ist nur, ob man bei der Assimilierung der vielen Anglizismen die eigene Identität verliert oder nicht. Ich glaube, da gibt es keine Gefahr. Französisch ist viel zu schön, um einfach zu verschwinden. Auch wenn mir die Grammatik schon viele graue Haare beschert hat, von den verschiedenen Akzenten, die alle an den richtigen Platz gesetzt werden möchten, ganz zu schweigen. Doch dieser Klang, was für ein wunder-, wunder-, wunderbarer Klang. Und was für eine unglaubliche Eleganz.

 

Auch hier spiegelt die Sprache die Menschen und umgekehrt. Die Dinge passen einfach zusammen. Es reicht, durch Paris zu schlendern, vorbei an den kleinen Straßencafés um das bestätigt zu finden. Wo sonst lässt sich so eine federleichte und natürliche Eleganz des weiblichen Geschlechts bewundern? Wo sonst vereint sich Körperbewegung und Geschmack auf diese Weise? Wo sonst existiert dieses angeborene Geschickt für Mode? Alles, was französische Frauen tragen, sieht einfach nur "chique" aus. Und sie selbst sind es auch. Trotz Dreifachbelastung als Mutter, Hausfrau und Angestellte. Nichts von der Mühe ist ihnen anzumerken. Wie machen sie das? Wie können sie, statt aus der Haut zu fahren, weiter mit zartem Wimpernschlag und gekonnt lasziven Gesten flirten? So wie die Frauen in einer ganz besonderen Rolle leben und atmen, tun es auch die Männer. 

Sie haben sich in einer klar strukturierten Hierarchie eingerichtet. Ihre Kadernschmiede heißen die "Grandes Écoles". Nur wer hier aufgenommen und seinen Abschluss gemacht hat, gehört in Zukunft zur Elite des Landes. Die Hürden sind denkbar hoch, das Auswahlverfahren legendär und hart. Und natürlich hat hier die besten Chancen, wer auch eine herausragende Schulbildung genossen hat, zusammen mit einem Elternhaus, das das Vorhaben unterstützt. Von daher relativiert sich die propagierte Chancengleichheit realtiv schnell wieder. 

 

Ähnlich, wie das Bildungssystem hat sich auch der Staat selbst organisiert. Frankreich ist 100%ig zentralistisch ausgelegt. Paris ist der Dreh- und Angelpunkt des Landes. Hier werden sämtliche Entscheidungen getroffen und bei allen Anstrengungen zur Entflechtung hat sich bis heute daran nur relativ wenig geändert. Das kann Vorteile haben, wenn man schnelle Entscheidungen im gesamten Land durchsetzen möchte, doch es hat auch riesige Nachteile. Und die bestehen in erster Linie darin, das das komplette Land praktisch zum Erfüllungsgehilfen für die Zentrale degradiert wird. Es bewirkt ein Zwei-Klassen-Land und es bedeutet praktisch Gleichschaltung. Das hat Tradition. Auf dieser Basis ist Frankreich groß geworden und hat damit den entgegengesetzen Weg zu Ländern wie Deutschland eingeschlagen. Die einige Nation, als die sich Frankreich gern selbst bezeichnet, ist in der Form nie existent gewesen. Frankreich ist genauso ein Land der Vielfalt, wie alle Anderen. Nur wurden hier die Unterschiede sehr schnell angeglichen und zwar nicht freiwillig sondern mit Gewalt. Ganz hat das nicht funktioniert und das ist auch gut so. Doch von der ursprünglichen Buntheit der Völkerstämme ist nur ein Bruchteil geblieben. Ob die Region nun Normandie, Bretagne oder Aquitanien heißt. 

Es gibt noch viele Andere Dinge, die in der offziellen Lehrmeinung anders gesehen werden, als es eigentlich war. Dazu zählen auch solche Dinge, wie die eigene Geschichte in Bezug auf die Kolonien und das Selbstverständnis als "Grand Nation", das bis heute unaufhörliche gepflegt wird. Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit gab es hier niemals für Alle. Davon können die Migranten in den Vorstädten von Paris ein Lied singen. Doch das wird aus der Realität weitestgehend ausgeblendet. Man bleibt fein getrennt unter sich und weiß, wo die Grenzen verlaufen. Ich habe mich schon öfter in Paris in Stadtteilen wiedergefunden, wo ich das einzige weiße Gesicht hatte. Um mich herum lebte, atmete und wogte Afrika in all seinen Farben. 

 

Die Franzosen verstehen sich als diejenigen, die das Monopol auf die Kulturviertheit an sich haben. Ausländer sind als Gäste herzlich willkommen und als Bewunderer umso mehr. Doch eigentlich wird gar nicht erwartet, das irgend jemand auf die Idee kommen könnte, dieses Land nicht zu bewundern. 

Das gilt insbesondere für die Küche. Seit die Köche der Adligen und Könige arbeitslos wurden und die Haute Cuisine aus den Schlössern in das Land umzog, gilt Frankreich als DAS Land der kulinarischen Götter. Und es stimmt, nirgendwo gibt es eine solche Zelebrierung des Geschmacks. Nirgendwo sind die Auslagen in den Schaufenstern der Bäckerein so appteitanregend wie hier. Nirgendwo fließen Kunst, Auge und Gaumengenuss so zusammen wie in Frankreich.

 

Dass diese Leckereien nicht unbedingt gesundheitsverträglich sind, steht auf einem anderen Blatt. Ich habe französische Köche schon ziemlich ins Schwitzen gebracht mit meinen Wünschen nach einem veganen Gericht. Sie haben diese Prüfung leider nicht bestanden. Was ich auf meinem Teller fand, war Frankreichs Ruf nicht wert. Kochen ohne Sahne, Butter, Käse und all die anderen tierischen Zutaten, dafür ist diese Küche eigentlich nicht gemacht. Das hat sich mittlerweile auch geändert. Und es ist sehr lecker, was da auf den Teller kommt, doch der Wandel ist nur punktuell zu erleben. Im Großen und Ganzen bleibt es elegant und kalorienreich.

Es sei denn, die Einflüsse kommen aus den Kolonien. Das sieht es dann etwas anders aus. Am besten lässt sich die Vielfalt französischer Produkte auf den vielen Märkten oder den festen Markthallen erleben. Es ist ein Fest für die Sinne, was es da zu sehen gibt. Es ist auch ein Fest zu beobachten, wie wählerisch und herrlich wortreich französische Hausfrauen einkaufen. Wenn man es nicht eilig hat, ist es der Himmel. Denn alles, wirklich alles wird genauestens begutachtet. Nur das Beste kommt in den Einkaufskorb. Und Zusatzdienste sind selbstverständlich. 

 

Ja, diese Genüsse, die sind schon etwas ganz Besonderes. Die feinen Pâté's, die herrlich knusprigen Baguettes. Die kleinen Törtchenwunder und kunstvollen Canapé's. Es ist schwierig an einer französischen Boulangerie artisanale vorbeizukommen und kein Croissant aux Amandes zum Frühstück mitzunehmen. Es ist schwierig, die Austern an der Küste bei Dinan zu verschmähen. Es ist schwierig, die vielen gehaltvollen Weine zu umgehen. Und am allerschwierigsten ist es, ohne zusätzliche Kilogramm auf dem eigenen Körper zurück nach Hause zu kommen. 

 

Also, irgendwie bin ich schon sehr einig mit den Franzosen. Sie haben etwas, was kein anderes Land bieten kann. Puren Genuss des Lebens. Ich muss gerade schmunzelnd an die Nachrichten im Jahr 2020 zu den Einkaufsorgien bei Corona denken. In Deutschland war das Toilettenpapier ausverkauft, in Frankreich die Kondome und der Wein. Hmmmm, das sagt Einiges, oder?

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