Fotos: Stefanie Hofschläger - Rosel Eckstein (pixelio.de)
Schweden ist Ostdeutschland, wie es hätte sein können. So ungefähr hat es eine Frau beschrieben, deren Bücher mich sehr berührt haben. Ja, ein bisschen ist es so. Irgendwie scheint Schweden eine bessere Welt zu sein, als die, die wir erschaffen habe. Friedlicher, ruhiger, stiller und heimeliger.
Das erlebe ich immer wieder, wenn ich hier ankomme. Diese wunderschönen rot angemalten Häuser.... Die Kerzen, die in den kalten Winternächten Wärme nach außen strahlen und wie ein Willkommen in der heilen Welt rufen.... Das Lächeln der Menschen... Pure Zufriedenheit und, ja, Idylle. Auch das Zusammenleben der Menschen ist etwas, das inspirieren kann. Im Team sind Schweden die Konsens-Entscheider schlechthin. Nichts, aber auch gar nichts passiert hier, wenn nicht alle einverstanden sind. Dafür wird so lange geredet und sich ausgetauscht und vor allem, viel Kaffee getrunken, bis es passt. Dann sind auch wirklich alle mit im Boot und ziehen an einem Strang. Davon könnten wir uns ein paar dicke Scheiben abschneiden.
Doch es gibt auch Fragezeichen. Es gibt auch die Seiten, die eine andere Geschichte erzählen. Rein energetisch erlebe ich Schweden wie ein Land, auf das eine Glocke oder der Deckel eines Schnellkochtopfes gepresst wurde. Gedämpft. Hier gibt es keine lauten Töne, doch auch die gehören eigentlich zum Leben. Wo also stecken sie? Runtergeschluckt im Konsens? Ich glaube schon. Das Wichtigste im schwedischen Miteinander ist Gleichmaß . Nicht zuviel. Nicht zuwenig. So, das alle etwas davon bekommen. Ein bisschen Sozialismus im emotionalen Raum. Soweit so gut.
Doch wohin dann mit der Wut? Wohin mit den klaren Meinungsverschiedenheiten? Wohin mit den Gefühlen, die nun mal auf den Tisch hauen wollen? Sie dürfen nicht sein. Das, was nicht sein darf, verschwindet nicht einfach so. Vielleicht kommen daher die Explosionen und auch die Ungereimtheiten, die ich bei meinen Reisen entdeckt habe.
Denn eigentlich, eigentlich gibt es hier auch alles, was es sonst überall auf der Welt gibt - nur, es wird nicht drüber geredet.
Es gibt die Schickimicki-Gesellschaft aus Stockholm, die man alljährlich im Juli auf Gotland treffen kann. Dann ist Visby voller Menschen, die sich die Welt kaufen können mit ihrem Reichtum und jeden Abend in den Restaurants am Hafen ein Vermögen verfuttern. Es gibt die Geschichte einer Großmacht, die so alles andere als friedlich in Europa Tabula Rasa gemacht hat. Eroberung hier. Mord und Totschlag dort. Es gibt die Atomkraftwerke in diesem grünen Land. Atomkarftwerde, die trotz erklärtem Ausstieg, der heimlich, still und leise in all den Konsensentscheidungen rückgängig gemacht wurde, wieder mehr werden. Es gibt einen versteckten Rassismus, der sich in Kleinigkeiten zeigt und den insbesondere die Minderheit der Sámi kennt. Dann ist da die Geschichte im Umgang mit den Ureinwohnern des Landes, eben jenen Sámi, die ebenfalls nur sehr punktuell und nicht wirklich umfassend vermittelt wird. Erst langsam bricht das auf und es geht nicht ohne Widerstand ab.
Ach ja - und wo wir bei Minderheiten und Ökologie sind - Raubbau an der Natur kennen die Schweden nur zu gut. Auch hier existieren sie - Bergwerkswüsten in großem Maßstab, Gesteinsabbau ohne Rücksicht auf die Folgen. Wo? Gut versteckt und möglichst weit weg vom Süden. Jenseits der Postkartenidyllen. Und bitte auch jenseits der "Ur-Schweden" rund um Stockholm. Im Land der Sámi zum Beispiel, hoch im Norden oder auf Gotland. Umweltschutz ist da wo wirtschaftliche Interessen mitspielen, zweitrangig. Die Sicherheit und der Schutz der Lebensgrundlage der einheimischen Bevölkerung auch.
Schweden sind es nicht so recht gewohnt, zu protestieren. Sie sind es auch nicht gewohnt, ihre Gefühle zur Schau zu stellen. Alles geht hier - naja, halt ruhig und gesittet zu. Das ändert sich nur ganz, ganz langsam. In der Zwischenzeit köchelt der Schnellkochtop vor sich hin. Ob er wohl mit Getöse aufbrechen wird? Einen Vorgeschmack vom Potential, das da wartet, bekommt man immer dann, wenn Schweden zu Alkohol greifen. Jugendliche in der Midsommernacht zum Beispiel. Oder dann, wenn Alkohol bezahlbar wird. Wieviel wird in diesem Land wohl hinter verschlossenen Türen ausgelebt, was sonst aufgrund sozialer Regeln fleißig im Dunkel bleiben muss? Ich habe jedes Mal das Gefühl einer nahenden menschlichen Explosion, wenn ich hier herkomme. Eines Befreiungsschlages, der viel zu lange auf sich warten lassen musste.
Mal schauen, wie lange es noch geht. Und wie sich dieser Knoten löst. Bis dahin - ist Schweden wirklich so etwas wie ein Paradies der Kindheitsträume. Aber vergessen wir niemals den Blick hinter die Kulissen. Es gibt nicht nur die schöne Bühne. Es gibt auch die vergessenen Requisiten.... Wie in jedem Land...
Einer der schönsten Filme, die ich je gesehen habe. Neben der Hymmne auf die wirkliche Musik, die aus dem Herzen strömt und die Unverwechselbarkeit und Schönheit jedes Menschen feiert, wird hier auch die schwedische Gesellschaft feinfühlig und klar portraitiert.
Eine schwedische Familie auf einem Skiurlaub in den französischen Alpen. Eine Lawine. Beides zusammen enthüllt auf gekonnte Weise die Abgründe einer Ehe und stellt das gesamte Thema Männlichkeit auf den Prüfstand. Ein hochinteressanter Psychofilm voller schwarzem Humor.
Noch so ein wunderbar hintergründiger und tiefgehender Film über die menschliche Psyche. Diesmal geht es um zwei Schwestern. Die größere ist Eiskunstlaufstar und leidet unter Essstörungen. Sie ist der Star der Familie. Stella, die Jüngere, wir mehr oder weniger übersehen. Doch sie ist die eigentliche Heldin des Filmes. Wunderbar gemacht.
Das ist für mich das schwedische Mittsommernachtslied überhaupt. Ich habe es zum ersten Mal von einem Chor irgendwo in Deutschland gehört, dann ist es mir in Schweden wieder in die Ohren gestiegen, beim Midsommar-Gottesdienst auf Gotland. Ein Traum, es in der Kirche zu singen und zu hören. Deshalb habe ich auch diese Aufnahme ausgesucht, aus meiner schwedischen Lieblingskirche. Das es ausgerechnet bei der königlichen Hochzeit gesungen wird, macht es vielleicht etwas steifer und formeller, als ich es fühle, aber dafür stimmt der Rahmen ;-)