Französische Küche, englische Reserviertheit und Geschäftstüchigkeit. Französische Lebensart und englisches Marks and Spencer. Englische Architektur und Sprache, aber französische Wörter. Es ist ziemlich verwirrend, französische Ortsnamen englisch auszusprechen. Alles in mir sträubt sich gegen die "Vergewaltigung" der Silben. War ich schon zu oft und lange in Frankreich? Bin ich infiziert von ihrer Liebe zur eigenen Ausdrucksweise? Ich habe bis heute nicht immer verstanden, wann denn nun was, wie ausgesprochen wird.
Aber die Bewohner dieser wenigen Inseln vor Frankreichs Küste sind das gewohnt. Hier leben mehr als genug "Ausländer". Wobei die Frage bleibt, was ein Ausländer eigentlich ist. Denn irgendwie gehören die Kanalinseln ja doch nirgendwo so richtig hin. Oder anders gesagt, sie verstehen es, sich die besten Stücke aus allen Kuchen herauszuschneiden. Offiziell sind Jersey, Guernsey, Sark, Herm, Jethou, Brequou und Alderney Eigentum der britischen Krone.
Ein Zoo? Ja, ein Zoo. Ein ganz besonderer Zoo, der mich ganz tief berührt hat. Weil hier mein Kindheitstraum greifbar vor mir steht. Der Traum, den ich mitgebracht habe in dieses Leben. Ein Traum von einem achtsamen, friedvollem, respektvollem Miteinander aller Wesen dieser Erde. Menschen, Tieren. Jersey hat einen Zoo, gegründet von Gerald Durrell, der diesen Traum lebte und ihn hier auf die Erde gebracht hat. An einem Ort, an dem für mich spürbar ist, dass die Welt, die ich mir wünsche, möglich ist.
Vor einem Tag erst habe ich mich in seine Bücher vertieft und konnte nicht mehr aufhören zu lesen. Ich habe nie eine Beschreibung von Tieren in den Händen gehalten, die soviel Liebe ausdrücken. Und diese Liebe ist sofort greifbar, als ich durch die Eingangstür zum ersten Freigehege komme. Ich stehe da und weine, weil ich es so tief fühlen kann. Liebe zu Tieren. Ein Zoo, der sich an ihnen orientiert.
Es gibt wenige Ort auf dieser Welt mir solch einer Dichte an Dolmen, Menhiren und Steinkreisen. Und alle erzählen mir etwas über mich selbst. Über meine Geschichte, meine Herkunft und meinen Weg. Sie sind nicht bloße Erinnerungsstätten sondern regelrechte Aufforderungen, mich nicht mehr davon abzuwenden, wohin ich gehöre. Nachzufragen, nachzuhaken, nicht lockerzulassen. In ihnen finde ich meine Vergangenheit und Ratgeber für die Gegenwart. Sie führen mich durch meine Ängste und lassen mich das Licht fühlen, das hinter der Dunkelheit wartet.
Jeder Besuch schenkt mir neue Erkenntnisse, jeder ist ein Geschenk. Und jedesmal fasse ich mehr Mut, zu teilen, was ich hier erlebe und fühle. Mit den Menschen, die meine Gäste auf den Inseln sind und mit denen, die diese Worte lesen....
Er ist gut versteckt, dieser Dolmen. So gut, das es wirklich jede Zeile der Wegbeschreibung braucht, damit ich nicht an dem unscheinbaren, grasbewachsenem Rund vorbei laufe. Eingezwängt zwischen Farmen und Wohnhäusern liegt ein Etwas, das von Außen wie eine große Pudelmütze ausschaut. Ohne Bommel.
Der Eingang ist winzig. Ohne tiefes Bücken würden blaue Flecken die einzigen Erinnerungsstücke bleiben.
Ich erwarte Dunkelheit. Aber vor mir sind schon Besucher hier hereingekommen und haben das Licht angelassen. Ich schließe die Hobbit-Tür und die Welt dort draußen verstummt. Kein Geräusch dringt mehr in durch die dicken Erdschichten. Es ist wie ein Eintauchen in die Gebärmutter der Tiefe.
Mitten auf einem Golfplatz soll er sein. Der Dolmen von La Varde. Inmitten von schlägerschwingenden, elegant-sportlich angezogenen Männern, deren deutlich überdimensionierten Karosserien vor dem Clubhaus auf sie warten, stolpere ich über raspelkurse Rasenflächen. Ich bin mir nicht sicher, ob meine Füsse dieses heilige Grün überhaupt berühren dürfen. Anderwo wäre wahrscheinlich schon die Polizei angerückt. Aber auf Guernsey sieht man das augenscheinlich alles wesentlich entpannter als ich es gewohnt bin. Hier darf ich quer über das Gras laufen.
"La Varde" beginnt mit seiner Botschaft für mich schon jetzt. Als ich ihn nur versuche, zu finden. Erst als ich meinem Instinkt folge und alles Denken beseite lasse, erscheint diese grasbewachsene Öffnung vor mir.
Ich fühle sofort, dass das ein heiliger Platz ist. Dieser große Lebensbaum nimmt mich gefangen. Direkt darunter liegen die riesigen Steine in einer perfekt angeordneten Formation. Über fast jedem Paar befindet sich ein Deckstein. Zusammen formen sie einen Gang, in den man nur mit Kriechen und Schlangenbewegungen gelangen würde. Dort hinein zieht es mich nicht. Ich möchte draußen fühlen. Am zweiten Steinkreis, der den Dolmengang umgibt, wie eine Umrahmung. Ich möchte dort die Energie und Kraft aufnehmen, die von diesem Platz körperlich greifbar aufsteigt.
Mir steigen Tränen in die Augen und als ich mich an einen Stein setze, wird der Fluß stärker und stärker. Ich lasse es strömen, fließen, ohne irgend etwas erklären oder analysieren zu wollen. Es schüttelt mich. Wie eine Reinigung empfinde ich diesen Tränenfluß.
Es sind nur wenige Minuten von der Küste hierher. Versteckt, auf einem Hügel, mitten im Wald. Nebenan beginnt schon die Mauer eines Hauses. Eng ist alles gebaut, auf dieser Insel. Jeder Platz genutzt. Aber der Steinkreis - er hat sich behauptet. Hier lebt er und mit ihm eine Ausstrahlung, die ich schon lange vorher fühlen kann.
Die Steine sind halb im Boden versunken, die Decksteine sind verschwunden. Aber gerade deswegen wirkt diese Mulde für mich noch viel heimeliger. Ich lasse mich hineingleiten, fühle welcher Stein mich ruft, sinke aufatment dagegen. Schließe die Augen und lasse geschehen, was geschehen will.
Ein grüner Berg, darauf eine Kirche. So sieht La Hougue Bie auf den ersten Blick aus. Ungewöhnlich. Anders. Es fühlt sich wie eine Sammelplatz an Energien an. Unten der Dolmengang, darüber 15 Meter Hügel, die Kirche ganz oben und ganz nah an dem ganzen deutsche Bunker. Gebaut während der Besatzungszeit im 2. Weltkrieg von Zwangsarbeitern. Ich bin verwirrt. Verwirrt von dem Mischmasch der Geschichten. Vom Kommerz. Shop, Museum, Eintritt.
Mich interessiert nur dieses Ganggrab. Eines der größten Europas. Dorthin zieht es mich. Zu diesem Eingang in dunkle Schwärze. Ich stehe davor und fühle die ganze Wucht der Steine. Tonnen. Einer der Decksteine wiegt allein 20 Tonnen. Der Gang ist niedrig. Nach wenigen, tastenden Schritten hinein drehe ich um. Zögernd. Unsicher. Dort hinein gehen? Hinein in den Druck der Steine über meinem Kopf? Wie in ein Grab? Die Steine wirken, als würden sie mich zerquetschen, wenn ich nur einen falschen Gedanken denke.
Der Weg zu dem Dolmen ist wie ein natürlicher Pilgerpfad. Schmal zieht er sich zwischen zwei Felder hindurch. Schnurgrade, komplett überwachsen. Ein geheimnisvoller, grüner Tunnel. Nur eine Baum- und Strauchreihe trennt mich von den lauten Traktoren, die gerade Kartoffeln ernten und doch bin ich in einer ganz anderen Welt.
Der Tunnel öffnet sich in einen runden, grasbedeckten Platz. Einem kleinen Hügel und ganz im Zentrum stehen die Steine. Perfekt angeordnet. Ein Deckstein wölbt sich wuchtig über dem Altarraum. Darin sehe ich Blumen liegen. Wie kleine Liebesgaben.
Mein Füße bewegen sich von allein mitten hinein in den Steingang. Ich lehne mich an einen dieser Steine, nur er ist "der Richtige", das fühle ich und öffne mich innerlich ganz weit. Keine Erwartungen in mir, nur lauschen und zulassen, was auch immer geschehen möchte. Sofort fließen wieder die Tränen. Energien schütteln sich durch meinen Körper, erschüttern mich ganz tief. Es ist eine Macht, eine Kraft, die durch mich hindurchfließt.
Ein Film nach dem gleichnamigen Roman, der tief in die Zeit der deutschen Besatzung der Inseln eintaucht...