Camas Shannageadh - Äußere Hebriden


Ich habe nicht damit gerechnet, hier solche Schönheit zu finden. Ein Strand liegt mir zu Füssen. Weiße Schaumkronenwellen tosen heran. In langen Reihen. Fast kribbelt es mich, ins Wasser zu toben und mit den Wellen zu tanzen. Wellenreiterparadies. Aber jenseits der Autotüren wartet der Sturm und eine Kühle, die deutlich unter meinem Wohlfühlfaktor liegt. Da werde ich nur gut eingemummelt in den Wind hineinlaufen. Immer an der Steilküste entlang.

 

Es gibt keinen menschlichen  Pfad. Ich folge den Spuren der Schafe. Der Sturm pfeift um meine Kapuze. Ein ewiges Geräusch. Urgewalt zum Greifen nah. Hier wird alles Essentiell. 

 

Ich bin nicht allein hier. Trotz dem überwältigenden Gefühl von Einsamkeit. Die Zeitlinien zwischen meinen Leben lösen sich auf in diesem Wind. Sie schweben davon, wie Fetzen einer alten Gardine, die nichts mehr verdecken will und kann. Hand in Hand laufe ich dort mit Eilan und der Indianerin, die ich einmal war.

Wir alle sind einsam gewesen, in allen Zeiten. Wir alle haben es erlebt, außerhalb der "normalen" Gesellschaft zu stehen. Dinge zu beschreiben, die andere für - bestenfalls - äußerst eigenartig - hielten. Wir alle waren Schamaninnen, Priesterinnen. Wir alle sind dem Ruf unserer Herzen gefolgt, dem Leuchten unserer Seele. Wir alle haben es erlebt, nicht verstanden, ausgelacht und belächelt zu werden. Wir alle mussten uns mit dem Vorwurf auseinandersetzen, nichts Greifbares zur Gemeinschaft beizutragen. Wir alle sind durch den Sturm gelaufen, und haben dabei unsere eigene Kraft und Überzeugung gestählt. Wir alle sind bei dem geblieben, was in unseren Herzen lebt. 

 

Ich spüre den Schmerz von Eilan. Sie ist mit dem Schiff hier angekommen. Das Überleben war das Allerwichtigste. Was interessierten sich die Gestrandeten da für Energien und dem Kontakt zur Erde? Ich fühle den Schmerz der Indianerin. Ich sehe die Bilder von ihrem Dorf, der verbrannten Erde. Die Bilder von Toten, die nicht auf ihre Warnung gehört haben. Ich fühle meinen eigenen Schmerz. Die tiefe Einsamkeit in meinem Herzen, die Fremdheit mit so vielen Dingen, die Menschen heute leben und verkörpern. Und gleichzeitig fühle ich die tiefe Verbundenheit zur Erde. Den lauten Ruf meiner Seele, den ich nicht überhören kann. 

 

Um mich herum tauchen andere Frauen auf. Frauen aus allen Zeiten und Welten. Frauen, die, wie ich, dem Ruf ihres Herzens folgen. Wir alle stehen dort. Halten uns an den Händen und wissen, dass wir niemals allein waren. Wir haben uns. Seelenschwestern.

 

Ich lächle. Hinein in den Sturm. In mir ist eine Kraft, die wie ein Feuer brennt. Leuchtet und mich wärmt. Ich weiß, es wird niemals mehr verlöschen. Ich kenne meinen Platz, ich kenne meine Ahninnen. Ich fühle meine Wurzeln. Mein Baum kann nicht mehr fallen. Er lebt. Er wächst und er steht. In dieser wunderbaren Erde.

Heilarbeit für Menschen, Orte und die Erde 0