Onetahuti Camp Ground zur Arawoa Hut
ca. 2,5 Stunden Gehzeit
Halb sechs, nur drei Stunden später werde ich wieder geweckt. Zwei Camper müssen früh los. Sie wollen über ein Inlet, das sich nur bei Ebbe begehen lässt. Und die ist heute entweder früh morgens oder am Abend. Gelassen schlafe ich kurz darauf wieder ein. Bis auch alle Anderen wach werden und den grauen Regentag begrüssen.
Mießpetrig schauen die meisten in den Himmel. Sie haben Sonne gebucht und das hier steht eindeutig nicht auf der schriftlichen Bestätigung. Mir ist mittlerweile klar, das die Tage des Campings vorbei sind. Ich brauche eine Hütte, um in der nächsten Nacht schlafen zu können. Und da es äußerst fraglich ist, ob es in Arawoa überhaupt noch einen Platz dort gibt, muss ich möglichst jetzt loslaufen und mit dem Ranger sprechen.
Am Anfang nieselt es nur leicht. Doch nach einer Stunde hat sich der Himmel eingeweint. Es pladdert herunter und ich werde so nass, das mein Bild wohl jeden Hüttenwart erweichen könnte. Es gibt einen Platz für mich. Einen trockenen Platz. Meine Sachen können am wunderbar warmen Holzofen langsam wieder sie selbst werden und ich kuschle mich in die unerwartete Wärme und den herrlichen Ausblick vor dem Fenster. Alles fühlt sich stimmig an. Wunderbar.
Aber wieder habe ich nicht mit den Menschen gerechnet. Sie kommen. Wieder ist es meine geliebte Schülergruppe, die auftaucht. Sie campen, aber die Lehrer wohnen in der Hütte und sie fragen uns, ob die Kids sich hier aufwärmen können. Ja, natürlich. Sie schauen aus, wie triefende Spatzen. Verfroren und ein wenig verloren. Draußen regnet es weiter, ohne Pause und drinnen in der Hütte werden wir von den Schülern erobert. Im wahrsten Sinn des Wortes. Es ist ein unbeschreiblicher Lärm. Ständiges Türenschlagen, ständiges Kommen und Gehen. Ständiges unendliches Stimmengewirr. Ich kann meine eigenen Gedanken nicht verstehen. Und es gibt kein Entkommen. Es sei denn, ich möchte wieder nass werden.
Niemand in diesem Raum nimmt irgendeine Rücksicht. Auch die Neuankömmlinge nicht. Sie schmeissen ihre nassen Sachen an den erstbesten Platz und lassen sich auf die Bänke sinken, tropfend, wie sie sind. Egal, ob nebenan die Sachen des Nachbarn gerade wieder warm und tragbar werden. Niemandem scheint dieser ohrenbetäubende Krach etwas auszumachen. Selbst meine Flucht in den Schlafraum ist nur halbwegs erfolgreich. Es ist so laut, das trotz Wand und Ohrenstöpseln jedes Geräusch zu mir dringt. Nur ein klein wenig gedämpfter. Wenn es für mich eine Hölle gibt, dann bin ich heute mittendrin.
Erst am Abend kann ich aufatmen. Der Regen hat sich gelegt und es ist möglich, dieses wunderschöne Inlet zu erkunden. Den Himmel anzufassen und der Seele eine Atempause zu gönnen. Lange bleibe ich dort draußen im Rot des Abendlichts. Die Kids sind mittlerweile auch dort. Aber die Entfernung lässt sich variieren. Ich muss nicht ganz nah an ihnen sein. Ich kann ein Stück meiner Stille fühlen. Und ein Stück der Erde unter meinen Füßen.
Auf dem Rückweg treffe ich zwei andere Wanderer. Ihr Statement schockt mich. "Well, if you're looking for solitude, you would not go to the Abel Tasman, right?" Wer nach Stille sucht, wird wohl kaum zum Abel Tasman gehen, richtig? Habe ich mich verhört? Nein. Für sie ist das hier die normalste Sache der Welt. Es muss so sein. Da ist gar kein anderer Gedanke möglich. Es gibt keine Alternative. Abel Tasman gleich Party, Lachen, Lärm. Bin ich in der falschen Welt?