Tag 4 - Dumpling Hut zum Sandfly Point

18 Kilometer

Leichtes bergauf und bergab

Das Wetter verändert sich. Zum ersten Mal sind Wolken am Himmel. Grau und immer grauer ziehen sie hinter dem Bergen auf. Es ist Regen angesagt für diesen Nachmittag. Aber das ändert im Augenblick nichts am Rhythmus meiner Schritte. Für vier Uhr nachmittags habe ich das Boot gebucht. Mehr als genug Zeit, um diese letzten Kilometer eines Traumweges mit Herz und Seele zu erkunden. 

 

Aber die Sandfly's machen es mir heute schwer. Sie spüren die nahende Nässe und werden unter dem immer bleierner werdendem Himmel ständig aktiver und agressiver. Es ist kaum möglich, länger an einem Ort sitzen zu bleiben, ohne das Gefühl, langsam aufgegessen zu werden. Selbst das wunderbare Mückenmittel hat nicht mehr die volle Wirkung vor dieser Lust auf Blut. 

 

Aber trotz allem ist dieser Mackay Wasserfall so unendlich schön, das mich nichts und niemand davon vertreiben kann. Ich sitze davor und weiß, das jedes Detail tief in mir gespeichert bleibt. Dieses Bild ist unlöschbar. Und auch der zweite Wasserfall des Tages bleibt unlöschbar. Wegen seines Eiswassers. Ich kann nicht widerstehen und ich will nicht widerstehen. Das hier ist der Ort für mich, um ein letztes Bad zu nehmen. Auch wenn die Luft schon ungewohnt kühl geworden ist und der Regen zu mehr als einer entfernten Ahnung mutiert. Noch ist es trocken. Zeit für mich, nass zu werden.

 

Die Kälte schießt durch meinen Körper und lässt ihn erstarren. Der ganze Geschmack des Gletschers ist in diesem Moment in mir angekommen. Nur ein Schrei kann mich jetzt erlösen und es ist purer Jubel. Das hier ist und war meine Wanderung. Eine Symphonie der Vollkommenheit. Dankbarkeit für den unbekannten Spender dieses einen Platzes ist schon seit Tagen in mir gewachsen. Und sie wird noch tiefer, als ich auf dem Boot sitze und wieder in dieses Traumbild vom Milford Sound eintauche. Die Wolken geben der Szenerie eine Dramatik, bei der jeder blaue Himmel blass erscheint. 

 

Ich weiß nicht wieviele Menschen diesen Track jemals gelaufen sind ohne einen einzigen Tropfen Regen. Ich fühle mich wie der größte Glückspilz dieser Erde und ich bin es auch. Dieser Weg war ein Wunder in sich und dieses Traum-Wetter eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit.

 

Bei dieser Beschreibung der letzten vier Tage musste ich zum ersten Mal im Leben nach Worten suchen. Unsere Sprache hat bei weitem nicht genug Superlative, um soviel Magie zu beschreiben. Ihr fehlen die Nuancen für dieses pralle Paket an Glückseeligkeit. Hakenlose bunte Glückseeligkeit.

 

Ich bin satt, satt und vollkommen unberührbar für alles, was jetzt kommt. Unberührbar für einen riesigen Terminal, für hunderte von Touristen, für eine endlose Schar an Tourbussen und lautstarke Gespräche in aller Länder Sprachen.

 

In mir räkelt sich wohlig das Paradies. Und es wird nie mehr gehen. 

Heilarbeit für Menschen, Orte und die Erde 0