Zum ersten Mal höre ich von diesem Dorf beim Osterfestival im ZEGG. Da sind zwei junge Frauen, die in Sieben Linden aufgewachsen sind und die eine Harmonie, Balance und Schönheit ausstrahlen, das es jedem auffällt. Sie müssen an einem glücklichen Ort aufgewachsen sein. Sie verkörpern das, was ich mir für alle Kinder dieser Welt wünsche. Selbstvertrauen, Bewußtheit und tiefes Fühlen. Diesen Ort, den muss ich kennenlernen.
Einige Jahre später ist es soweit. Das Sommerfest der Gemeinschaft ist für mich der richtig Anlass um das Ganze möglichst lange und intensiv zu erleben. Und der erste Eindruck bestätigt sich. Ich erlebe ein Miteinander, das ich in dieser Qualität niemals irgendwo sonst fühlen konnte. Egal, in welchem Land. Ich habe das Gefühl, das hier jeder Mensch in seiner Qualität und seinem Sein als wirklich wertvoll betrachtet wird. Es gibt nicht den Zwang, den ich so oft gespürt habe, irgendeinem Ideal der Gemeinschaft zu entsprechen. Es gibt keinen Maßstab, der die Individualität wegbügelt und alles als nutzlos erachtet, was keine harte Arbeit bedeutet. Hier spüre ich eine sachte Balance zwischen den inneren Werten und den äußeren. Eine Balance von weiblichen Qualitäten und den männlichen. Und eine gegenseitige Achtung.
Dazu kommt eine Fülle an Ideen. Eine Fülle von Ansätzen für ein anderes Leben. Es beginnt bei den genialen Strohballenhäuseren, in die ich mich vom ersten Moment an verliebe. Sie strahlen genau die Naturverbundenheit, Erdung, Schlichtheit und Liebe aus, die ich mir für ein Leben in einem Haus immer vergestellt habe. Die verputzten Lehmwände geben den Raum für pure Kreativität. Hier ist diese gerade Eckigkeit des Bauens endlich ausgehebelt. Ich schwelge in den Formen, den Erdfarben und der Kunst, die mir entgegenschwingt. Es ist nicht so, das es diese unglaublichen Früchte an Kreativität nicht auch in anderen Gemeinschaften geben würde, aber hier stimmt auch der Rahmen, in dem sie ihren Duft enfaltet. Das macht es so einmalig für mich.
Ich lerne hier in jedem einzelnen Moment. Ich erlebe den liebevollen Umgang mit Tieren, die Schöhnheit von blühenden Weidenkuppeln, die zarten Knospen eines Waldes, der der trostlosen "Kieferschonungsmonokultur" um ihm herum den Weg in ein neues Morgen weist. Ich treffe Menschen, die mit ihrem Engagement aus dem Nichts diese Insel der Zukunft entstehen lassen. Menschen mit jeder Menge Glauben, Enthusiasmus und Herzblut. Menschen, die mir meine eigene Kraft wieder bewußt machen und den Glauben an die Menschheit zu neuem Blühen bringen. Und erlebe Workshops, bei denen sich vollkommen neue Welten öffnen. Hier höre ich zum ersten Mal etwas von "Dragon Dreaming" und "Transition Towns". Ich erlebe, wie einfach es ist, gut zu kochen und das es überhaupt keine irrsinnigen Anstrengungen braucht, nur Liebe.
Und ich erfahre hier zum ersten Mal in dieser Tiefe, das nichts, was aus mir herauskommt, schlecht ist. Auch nicht mein Kot. Ich erlebe, wie er zu Dünger wird. Ich lerne, wie einfach es geht. Und mein ganzer Ekel vor mir selbst verschwindet. Er hat keinen Platz mehr in meinem Leben, weil ich endlich auch an dieser Stelle den großen Kreislauf von Werden, Vergehen und Verwobenheit in der Natur verstehe.
An diesem Ort überlege ich lange ernsthaft, ob ich nicht bleiben sollte. Nirgendwo war ich so dicht davor, ja zu sagen. Was mich letztlich davon abhält, ist die Region, in der Sieben Linden liegt. Alles Andere ist beim näheren Hinschauen eher Ansporn als Hindernis. Aber ich brauche Wasser zum leben. Ich brauche die Nähe von Wasser, um mich wohl zu fühlen. Und Wasser ist hier Mangelware. Die Altmark ist eine kleine Wüste. Der Badeteich in Sieben Linden wirkt für mich wie eine Pfütze unter heißer Sonne. Ich würde hier buchstäblich vertrocknen. Nicht nur im Sommer.
Aber ich weiß, das mich keine Gemeinschaft mehr begeistert hat, als dieses Fleckchen Erde. Und das ich nirgendwo mit sovielen Schätzen beladen nach Hause zurück gekommen bin. Ich weiß auch, das ich immer wiederkehren werde. Als Besucherin....