Berliner Dom  (Foto: M.E. / pixelio.de)

Ich war niemals zuvor in diesem Kirchenraum. Ich kenne den imposanten Dom nur von Außen, bin viele Male vorbeigelaufen oder gefahren. Aber nicht einmal hat es mich hineingezogen. Bis jetzt. Bis heute. Am 26. Dezember 2011. Ich werde den ganzen Nachmittag und den Abend hier verbringen, um einen Gottesdienst und ein Konzert zu erleben. Ludwig Güttler spielt mit seinen Bläsern. Seine Musik liebe ich seit ich in der Schule war. Sie hat mich immer an die Musik des Himmels erinnert. Töne, die von der Erde in den Himmel steigen, wie Kraniche oder strahlend weiße Tauben und von der Schönheit dieser Welt singen. Und von der Kraft der Menschen. 

 

Im Inneren der riesigen Kuppelhalle ist es voll. Menschen aus aller Welt versuchen ein Stück Atmophäre zu erhaschen, studieren ihre Reiseführer während die Blicke neugierig in jeden Winkel wandern. Andere lauschen andächtig den lehr-vollen Worten der Führerin, die vor ihrer "Herde" steht und selbstsicher Jahreszahlen und geschichtliche Hintergründe verkündet. 

 

Es zieht mich mitten hinein. Direkt unter das Zentrum der Kuppel, direkt unter der Friedenstaube, die dort dargestellt sind. Mein Blick bleibt dort oben hängen. Ich bleibe still, versuche mich zu konzentrieren, zu meditieren, ruhig zu werden inmitten der murmelnden Lärmens in allen Sprachen der Welt. Spanisch, englisch, französich hüllt mich ein, während ich in mich selbst eintauche. Langsam. Sehr langsam. Es ist mühsam.

 

Nach langer Zeit fühle ich schwach eine Lichtsäule. Eine ähnliche Säule, wie die, die ich in Wittenberg zum ersten Mal gesehen und gefühlt habe. Sie wird stärker, aber nicht so stark, wie die, die ich kenne. Als würden die vielen Menschen mit ihrer Suche sie stören. Als bräuchte sie, so wie ich, den inneren Frieden, um wirklich zu strahlen. Sichtbar und klar.

 

Nach einer Stunde beginnt ein Gottesdienst, der letzte Weihnachtsgottesdienst diesen Jahres. Und schon bei den ersten Worten der Pfarrerin ist die Lichtsäule verschwunden. Wie zugedeckt, eingepackt in Worte, die von Scham, Sünde, Erniedrigung und Angst sprechen. Ich habe nie eine düsterere Predigt gehört. Vielleicht ist mir auch niemals aufgefallen, wie wichtig das Wort Sünde im christlichen Glauben ist. Als gäbe es nichts Helles, Strahlendes, Schönes und Liebenswertes in der Welt. Als wäre alles Kampf und Sühne. Bei dieser Predigt wird mir klar, wie düster ich diesen Glauben in der verkündeten Form immer fand. Er stimmt mit meinem Gefühl von Jesus und seinen Worten nicht im Geringsten überein. Die Liebe, von der dort gesprochen wird, ist für mich keine Liebe. Sie ist ein Gesetzestext voller Bedingungen, bei deren Überschreitung Fegefeuer droht. Den liebenden Gott kann ich nirgends entdecken. Nicht in diesen Worten. 

 

Von daher ist es nur richtig, dass die Lichtsäule erloschen ist. An diesem Ort, mit dieser Energie kann sie nicht gesehen werden.

 

Nachdenklich sitze ich wenig später im Konzert. Und bin neugierig, was jetzt wohl geschehen wird. 

 

Schon bei den ersten Tönen, entspanne ich mich vollkommen und gebe mich ganz diesen wunderbaren Klängen hin. Ich kann die Bläser kaum sehen, aber die Schwinung der Musik erreicht jeden Winkel dieser Kirche. Und dann ist auch die Lichtsäule wieder da. Diesmal in ihrem vollen Glanz, in ihrer vollen Kraft. Sie reicht wieder aus dem tiefsten Inneren der Erde, durchströmt die Kirche und berührt den Himmel über der Kuppel. Für mich ist die gesamte Kuppel in pures Licht getaucht.

 

In ihr, mitten in der Kuppel, sehe ich Engel schweben. Richtige Engel. Sie sind so greifbar, fühlbar und sichtbar wie die Steine. Von einer anderen Energie, aber genauso real. Und es sind viele, so viele. Rund um die Kuppel kann ich sie wahrnehmen. Und in mir ist ein Jubeln, eine riesige Freude. Ja, das ist die Liebe, das ist die Energie, das ist das Strahlen, dass es in einer Kirche geben sollte. Das ist die Kraft, die hier wirklich herrscht. Und die Musik hat sie hervorgelockt!

Heilarbeit für Menschen, Orte und die Erde 0