Überblick

Ich wollte in diesem Frühling sowieso noch einmal an den Bodensee. Ich wollte meine Freunde im Süden besuchen. Die Orte fühlen, die ich so liebe. Die Alpenkulisse betrachten, die kleinen Dörfchen geniessen. Glarisegg besuchen, frischen Bärlauch von der Wiese naschen, schauen, ob meine vor zwei Jahren geplanzten Bäumchen gewachsen sind, im See schwimmen und dann ganz gemütlich nördlich der Alpen hinüber zu meinen anderen Freunden im Chiemgau radeln.

 

Und wenn ich schon dabei bin, dann kann es auch ruhig noch weiter gehen. Auf einem Weg, den ich schon kenne, aber auf dem ich nie mit soviel innerer Ruhe und äußerer Zeit unterwegs sein konnte. Diesmal muss ich nichts für eine Gruppe vorbereiten und Recherchieren. Meine Aufmerksamkeit kann sich auf ganz andere Dinge richten. Meine Verantwortung gilt nur mir selbst.

 

Ich freue mich auf Sennereien am Wegesrand. Auf meinen Lieblings-Kräutergarten im Allgäu, auf grüne Hügel und weidende Kühe. Auf kleine Wirtschaften und diese ganz andere Welt des Südens, diese ganz andere Art der Menschen. Es ist schön, nach vier Monaten Havelland, Berlin und Potsdam ein Gegengewicht zu setzen. Damit in mir alles in Balance ist, bevor mein Europa-Reise-Sommer beginnt.

Es ist ein Stück "nach Hause kommen". Alles ist vertraut hier unten. Die Kirchtürme von Radolfzell, der See, die Bergkuppen. Es macht Freude, direkt vom Bahnhof loszuradeln, immer am Ufer entlang. Quer über die Höri, quer durch meine alte Heimat, die mir so eine intensive Zeit mir mir selbst geschenkt hat. Aufarbeitung einer Beziehung. Und den Beginn der Beziehung zu meiner Seele. 

 

Ich spüre aber auch, das ich nicht mehr hierher gehöre. Spätestens am Zeltplatz in Wangen schreit mir diese Tatsache entgegen. Die wunderschönen, hohen Weiden sind allesamt gefällt. Sie haben dem Ort ihren Zauber gegeben. Jetzt ist er zu einer Zweckkühle herunterorganisiert worden. Der Blick - ja, der ist jetzt frei. Aber er ist auch karg, kahl und ungeschützt. Gänsehaut. Mir ist kalt bei diesem Anblick trotz herrlichstem Sonnenschein. 

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Ein herrlicher Tag. Ohne Programm, einfach nur meinem Gefühl folgend. So ganz anders, als bei den Wikinger-Touren, die ich leite. Der Morgen beginnt mit Yoga und einer schönen Meditation. Ich laufer hinüber nach Mammern, den schmalen Pfad am Ufer entlang. Und im Laufe dieser Stunden wird mir noch einmal sehr bewußt, wie stark ich mich bei meiner Arbeit als Reiseleiterin unter Druck setze und meine eigenen Grenzen negiere. Dieser Leistungsanspruch, woher kommt er? Ich kann es noch nicht fühlen. Ich spüre nur, das es das fließende Lebensgefühl von diesem Morgen ist, das mir entspricht. Und das es möglich ist, das überall zu leben. In jedem Rahmen. Es liegt nur an mir.

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Tag 3 - Glarisegg nach Überlingen

So, wie heute, habe ich mich schon lange nicht mehr um mich selbst und meinen Körper gekümmert. Mit ganz viel Liebe beginnt dieser Tag. Einölen. Die Haut ist in purer Ekstase über soviel Pflege und Aufmerksamkeit. Die Berührung tut mir so gut. Ja, das hat mir gefehlt. Nicht nur Mediation, auch das. Es ging viel zu lange mehr um Leistung und Funktionieren. Ich habe die Seele vernachlässigt. Es ist Zeit für Balance. Jeden Tag, nicht nur im Winter. Sondern auch unterwegs, als Reiseleiterin. 

 

Ganz im Einklang mit diesem Morgen fahre ich genießerisch langsam am Bodenseeufer weiter. Ganz nah am Wasser, immer in der Schweiz entlang, bis nach Konstanz. Ich schaue im Münster vorbei, gucke in den Bioladen, schlendere über den Markt und dann geht es weiter bis zur Mainau.

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Der Morgen ist so lärmig, wie ich befürchtet habe. Nein, es ist schlimmer. Schon um sieben werde ich vom Geklapper und Reden unten im Laden und Restaurant geweckt. Die Zimmer sind extrem hellhörig. Die Treppenstufen knarren. Ich verstehe alles, was eine Etage tiefer geschieht. Und natürlich strahlt ein Geschäft, diese umtriebige Energie aus. Schnell, schnell - alles muss sofort fertig sein. Ich fühle den Druck, ich fühle die Anspannung. Hilfe!!!!!

 

Trotzdem schaffe ich es, zu frühstücken, mittendrin. Aber dann muss ich weg. Auch wenn mein Knie heute wehtut und mich warnt. An das Thema, mit dem ich diese ganze Zeit schon wandere, reise und bin. In mir findet ein Kampf statt, der mein ganzes Leben bestimmt. Ein Tauziehen zwischen Zielorientierung und Leistungswillen auf Teufel komm raus und dem Loslassen von allen Zielen. Keines von Beiden ist stimmig. Beides fühlt sich schräg an, unvollkommen. Ich möchte beides, in Harmonie.

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Kann sich ein Sturm auflösen, nur weil man ihn wahrnimmt? Ja, es sieht ganz so aus. Dieser Tag ist herrlich. Ich fahre nur ein kleines Stück, weil ich Freunde besuche und verbringe eine wunderbare Zeit mit ihnen. Wir gehen spazieren, waten durch einen Bach, besuchen das Seeufer, reden und ich bin so sehr ich selbst, wie noch nie in Gegenwart dieser beiden Menschen.

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Tag 6 - Sigmarszell nach Oberstaufen

Regen. Regen. Regen. 

 

Es stört mich überhaupt nicht. Ich radle durch die graue Welt und in mir ist alles rund und kugelglücklich. Die Orte fliegen vorbei. Vertraute Namen, vertraute Geschäfte. Diese kleine, süße Gastwirtschaft in Mallaichen, auf die ich mich so schon gefreut habe.....

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Tag 7 - Oberstaufen nach Hopfen am See

Eine lange Strecke, stetiges auf -und ab. Und leider, leider wird langsam der Osterverkehr fühlbar. Überall sind Menschen. Das Wetter wird stündlich besser und am Nachmittag werde ich von den Massen schon fast überrollt. Vorbei ist die Stille. Vorbei ist der Frieden. Auto's fahren an mir vorbei, die Restaurants sind voller Menschen, die Aussichtspunkte zugeparkt. 

 

Es ist mir alles zuviel. Ich geniesse zwar die Strecke, das grandiose Alpenpanorama, aber ich tue es in Extremen. Und schwanke Hin und Her, wie ein Blatt im Wind. Zwischen Schönheit und Verzweiflung.

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Königsschlösser oder nicht? Pause oder nicht? Pause? Ostersonntag? Bin ich verrückt? Nein, nur erschöpft. Körperlich. Seelisch. Ich lasse mir Zeit an diesem Morgen. Es ist schon fast 10 Uhr, als ich losfahre. Gemütlich. Langsam. Vorbei an den Schlössern. Weiter zur Wieskirche auf eigenartigen Wegen, die anders sind, als die Streckenführung, die ich noch im Kopf habe. 

 

Natürlich bin ich an der Kirche wieder im Menschengetümmel. Aber zum ersten Mal bekomme ich einen echten Zugang zu diesem Ort. Obwohl ich eigentlich mit diesem ganzen barocken Überschwang nichts anfangen kann. Doch - es ist ein Kraftort. Vielleicht musste es dieser Ostersonntag sein, um durch die Verschnörkelungen etwas wahrzunehmen.

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Traumwetter. Wunderbares Bio-Frühstück. Ein toller Start in den Tag. Dieser erste Teil des Weges heute - grandios. Es geht durch den Wald, stetig bergab. Ich rollere und rollere durch meine Lieblingslandschaft auf diesem Radweg bis hinein nach Eschenlohe. 

 

Dann wandelt sich alles. Es wird mühsamer. Voller. Straßennäher. Autobahnnäher. Münchennäher. Menschennäher.

 

Kochel. Nein, kein Bleiben hier. Die Autos peitschen durch den Ort und füllen ihn mit ihren Motoren. Nur der See ist halbwegs idyllisch. Wenn ich mir die Spaziergängerscharen wegdenke. Benediktbeuern. Hölle. Alle Welt ist auf Ausflug. Das Lokal hier, proppenvoll und Bahnhofshallenlaut.

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Nichts, wirklich nichts hält mich in der Region um München. Ich möchte aus diesem Einzugsbereich verschwinden. So schnell es geht. Das ist es, was innerlich wirkt heute. Eigentlich bin ich auf der Flucht vor dieser Energie. Ich wünsche mir ruhigere Gewässer. Aber davor muss ich am Tegern- und Schliersee vorbei. Mitten durch. 

 

Es regnet. Es geht heftig auf und ab. Ich verfahre mich. Und trotzdem geniesse ich die Fahrt. Ich geniesse das Wolkenspiel am Himmel. Wappne mich innerlich, gegen den Schock von Gmund, die tosende Straße, über die man kaum kommt, weil die Autos Stoßstange an Stoßstange durch den Ort torkeln. Die nächsten steilen Anstiege, die nur mit Schieben zu bewältigen sind. 

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Straßen. Straßen. Straßen.

 

Es könnte so schön sein, in dieser Landschaft. Aber die Menschen haben es tatsächlich geschafft, jedes Zipfelchen dieser Umgebung mit Asphalt zu bedecken und dafür zu sorgen, das nirgends mehr Stille und Frieden schwingt. Die A8 ist schrecklich. Sie verlärmt nicht nur den Chiemsee sondern auch alles andere um sie herum. Und ihr muss ich folgen, wenn ich weiter in Richtung Berchtesgarden will. 

 

Ich wußte, was kommt, aber irgendwie fühlt es sich viel schlimmer an, wenn man mitten drin steckt. Am Beginn kann ich es noch ganz gut kompensieren. Das erste Wegstück ist auch noch schön, aber spätestens ab dem Chiemsee wird es schwierig. 

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Tag 12 - Bergen nach Berchtesgaden

Es ist ruhiger in mir, heute morgen. Und irgendwie gelassener trotz einer langen, langen Etappe, die vor mir liegt. Der Tag wird heiß. 24 Grad. Sommerwetter. Aber ich lasse es innerlich friedfertig angehen. Und irgendwie, irgendwie funktioniert das. Zumindest beim Radeln. 

 

In Siegdorf entdecke ich einen schnuckligen kleinen Bioladen, Traunstein bleibt links liegen. Dann hinauf auf den Bergrücken, die Kulisse der Alpen immer im Blick. Wunderschön ist es. Hoch. runter. Mittagspause in Teisendorf. Wieder ist dort ein Bioladen, der mich mit dem Picknick versorgt. Högelwörth. Leider ist es zu früh und auch hier ist zuviel los. Weiter zieht es mich. 

 

Nach Bad Reichenhall. Ein paar Fotos im Kurpark, ein Picknick am Fluss, Bärlauch auf dem Weg. 

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Himmel, ist das Rad leicht. Ohne Gepäck fährt es sich wie eine fliegende Feder. Ganz früh starte ich nach einem schönen Frückstück. Nur dieses kleine Stück hinauf zum See. Schattig ist es. Frisch. Der Bärlauch lockt, die Blumen lachen mich an. Und immer wieder steige ich ab, um Fotos zu machen und dem Bach zu lauschen, der vom Königssee herunterbraust. Um diese Zeit ist noch niemand unterwegs. Endlich Stille. Endlich Frieden. 

 

Es zieht mich auf den Jenner. Hoch hinaus. Ich will das Panorama sehen, nicht im Tal eingeschlossen bleiben. Oben stürzen sich die Skifahrer hinunter, auf einer Piste, die nur noch wenig Schnee hat. Ihre scharfen Skikanten werden viele Pflanzen ratzekahl abrasieren. Es schaudert mich.

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Heilarbeit für Menschen, Orte und die Erde 0