Canterbury Cathedral

Eigentlich ist diese Kathedrale, deren Grundmauern aus dem sechsten Jahrhundert stammen, wunderschön. Aber sie ist auch der Schauplatz eines Mordes. Des Mordes an einem Erzbischof. Thomas Becket. Sie ist ein Ort des tiefen Blick's in die englische Geschichte. Und sie ist eine Pilgerstätte, genau aus diesem Grund. Auch ich bin deswegen hergekommen. Ich bin fasziniert von der englischen Geschichte und besonders diese Auseinandersetzung zwischen der Kirche und der Krone, die am Ende zum Mord führte, ist eines der interessantesten und wichtigsten Kapitel für mich. Hier möchte ich beginnen, mit dem Einfühlen in diese Insel und seine Vergangenheit.

 

Aber es fällt mir schwer, die Kathedrale wirklich zu fühlen. Zum Einen ist da der schwierige Weg, überhaupt zu ihr zu kommen. Der Verkehr in den englischen Städten ist mörderisch. Die Parkplatzsuche gleicht einer Odyssee. Und die Stadt ist so übefüllt mit Menschen, dass ich mich in einer Völkerwanderung wähne. Und dann kommt da ein Eintrittshäuschen. Eintritt? Für eine Kirche? Ja, so ist das in England. Ich merke, dass das etwas mit mir macht. Dass es meine Einstellung verändert. Ein heiliger Ort wird zu etwas Geschäftlichem. Es passt nicht zusammen. Nicht für mich. In mir sträubt sich alles. Ursprünglich wollte ich warten, bis zum Abend, um den Ort in seiner Heiligkeit fühlen zu können. Doch jetzt möchte ich ihn nur möglichst schnell hinter mir haben. Also, gehe ich jetzt hinein. Es ist kurz nach Mittag. 

Ich bin eine von Vielen. Japaner, Chinesen, Amerikaner. Franzosen. Enländer sind auch dabei. Hunderte von Menschen sind in diesem riesigen Gebäude verteilt. Überall wird gesprochen. Von Stille keine Spur. Führer zeigen den Menschen die wichtigsten Stellen, Fotos werden gemacht, Kommentare abgegeben. Und mittendrin versuchen einige Menschen zu beten und in sich zu gehen. Hoffnungslos scheint mir das.

 

Es erscheint mir auch hoffnungslos, die Orientierung zu behalten in diesem Gebäude. Das ist keine einzelne Kathedrale. Es ist eine Verschachtelung von Räumen und Kirchen. Mit Unterteilungen, Treppen und eigenen Räumen, die mir zuerst vollkommen fremd und unverständlich erscheinen. Groß und Fremd.

Ich sehe die Schreine, ich sehe die Stelle, an der Thomas Becket getötet wurde. Und ich fühle - nichts. Gar nichts. Ich stehe mitten in architektonischer Pracht, mitten im Schein von Glasfenstern, die in allen Farben funkeln. Ich sehe sie, ich kann sie für die Bauart bewundern. Aber ich fühle nichts. Nichts. Ich gehe in jede Ecke dieser Kathedrale. Es verändert sich nicht. Und die Menschenmassen stören mich so sehr, dass ich die Flucht antrete. Ich möchte hier nicht mehr sein. Hier gibt es nichts für mich. Gar nichts.

 

Es ist faszinierend und verstörend zugleich. Ich weiß, da muss etwas sein. Doch heute und jetzt habe ich keinen Zugang dazu. Zuviel liegt oben drüber, das mich selbst aus meiner Balance bringt. So kann ich nicht offen sein. Es gibt also noch viel zu tun in mir, um auch mitten in so einer Kakophonie aus Widrigkeiten umgehen zu können, ohne aus meiner Mitte zu fallen. Im Moment stehe ich nur neben mir. Und so muss ich leider ohne einen tieferen Einblick gehen. Vielleicht kann ich ein anderes Mal zurückkommen und einen Weg finden, mich mit dem zu verbinden, was tiefer liegt. Ich weiß, es wartet etwas hier, was wahrgenommen werden möchte. 

 

Heilarbeit für Menschen, Orte und die Erde 0