Die Vatikanischen Museen in Rom

Es ist nicht so, das es in Rom wenige Schlangen gäbe. Überall wird gewartet. Überall füllen Unmengen an Menschen Plätze, Räume und Ausstellungen. Aber diese Ansammlung von Wartenden hier, vor den Vatikanischen Museen schlägt alles, was ich bisher irgendwo auf dieser Welt gesehen habe, um Längen. Tag für Tag komme ich an den geduldig Ausharrenden aus aller Herren Länder vorbei. Meine Unterkunft ist nur wenige Schritte vom Eingang der Museen entfernt.

 

Die Schlange ist ständig mindestens 4-reihig und rankt sich hunderte von Metern an der massiven Mauer der Vatikanstadt entlang. Nicht besonders einlandend, finde ich. Aber in meinem kleinen Kloster werde ich eines Tricks belehrt. Es ist möglich, ein Ticket vorauszubuchen. Via Internet. Sie können das gern für mich erledigen. Die kleine Gebühr finde ich mehr als angemessen für das, was ich damit umgehe. Denn mit diesem Papierstück in der Hand kann ich ganz elegant einen anderen Eingangskanal benutzen und lande schnell und problemlos in den heiligen Hallen. Perfekt.

Ich habe mir die frühen Morgenstunden ausgesucht. Denn das Zeitfenster des Besuchs muss mit angegeben werden bei der Vorausbuchung. Und da ich gesehen habe, welche Völkerwanderungen in den Mauern verschwinden, möchte ich möglichst unter den Ersten sein. Das gelingt mir auch. Ich kann noch in Muße und mit vollem Genuss in mit Kunst vollgepfropfte Räume eintauchen. Unglaublich, was hier versammelt ist. Unglaublich, was die Kirche alles für sich beansprucht hat. Die Gänge sind vollgestellt mit Statuen, die Wände mit kostbaren Teppichen behängt. Bilder von enormer Ausstrahlungskraft und dann der Höhepunkt - die Sixtinische Kapelle.

Mir bleibt der Mund offen stehen. Jedes klitzekleine Zentimeterchen der Wände ist bemalt. Die Wucht der Bilder Michelangelos ist beispiellos. Aber sie ist gleichzeitig so überbordend, das sie zu einer Welle wird, bei der jedes Detail im großen Ganzen verschwindet. Es ist zuviel. Viel zuviel auf einmal. Diese kleine Kapelle wirkt auf mich vollkommen überladen, wie ein Tisch voller edler Speisen, die unmöglich alle in einem Rutsch von Zunge und Gaumen wertgeschätzt werden können.

 

Mein Kopf weiß nicht so recht, in welche krummen Winkel er sich drehen sollte, um alles zu erfassen, was mich anstrahlt. Mein Nacken beginnt in Minutenschnelle steif zu werden und Portest einzulegen gehen die ungewohnten Stellungen. Meine Augen werden müde. Um mich herum versuchen hunderte andere Menschen das gleiche Kunststück, wie ich. Mit dem gleichen Ergebnis. Die Bildgewaltigkeit, die sich in diesem Raum versammelt, würde für eine halbe Stadt reichen. Sie fühlt sich in dieser dunklen Kapelle wie eingesperrt an. An Zügel gelegt und gezähmt. Sie gehört für mein Gefühl an die frische Luft, in die Weite. Hier drin erschlägt sie und wird gleichzeitig erschlagen. 

 

Mir wird schwindlig und ich beschliesse den Gang noch einmal von vorn. Ganz in Ruhe, ganz in Muße, vom ersten Schritt an. Bis ich wieder in die Kapelle hineinkomme. Der Plan ist an sich ganz gut, ich finde im Wirrwar der Winkel, Ecken und fehlenden Ausschilderungen sogar den Weg zurück. Aber was mich dann erwartet, habe ich nicht kommen sehen.

Das Museum hat sich gefüllt. Und wie. ich habe niemals, niemals solche Menschenmassen auf so engem Raum zusammengepfercht erlebt. Es gibt keine Chance auf Entkommen. Ist man einmal im Sog, dann muss man langsam mitschlurfen. Schulter an Schulter, Arm an Arm. Atemzug um Atemzug. Drängeln, Enge. Das ist hier ist definitiv nichts für Klaustrophobiker. Immerhin bin ich ruhiger als die meisten Anderen um mich herum. Weil ich den "Höhepunkt" schon gesehen habe, auf den hier noch alle unruhig warten.

Und so ergebe ich mich dem hundertfachen Tempo der Schritte und ergreife die Gelegenheit, alles halbwegs genau zu betrachten. Aber natürlich sind auch dem Grenzen gesetzt. Denn das Tempo drosselt sich auch nicht, nur weil ich länger verweilen will. Weiter, weiter, weiter. Unaufhaltsam. Gott, bin ich froh, das ich schon so früh hergekommen bin. Das ist Wahnsinn. Purer Wahnsinn. Erst in der Sixtinischen Kapelle kann ich wieder ein wenig verschnaufen. Und da ich so langsam auch die geheimen Abkürzungen kenne, komme ich trotz aller Massen dorch an die Punkte, die mir wichtig sind. 

Am Ende jedoch, das gebe ich zu, überwiegt mein Überlebensinstinkt. Ich werfe noch einige Blicke auf die Vatikanischen Gärten und den Petersdom von Hinten und bin froh, als sich die Tür zum Museum hinter mir schließt. Aufatmen. Ich schaue auf die endlose Schlange, die hier jetzt wartet. Keine Ahnung, wie diese Menschen noch da hinein passen sollen. Ich jedenfalls, ich brauche eine Pause. Allein, mit mir. 

Heilarbeit für Menschen, Orte und die Erde 0