Der Sternenhimmel kitzelt mich wach. Vollmond schickt sein sanftes Licht um die Ecke. Es ist zwei Uhr morgens und ich bin dank meiner noch nicht abgeschlossenen inneren Uhrumstellung putzmunter. Gut zwei Stunden später, unter einem herrlich schwarzen Himmel, gehe ich auf Wanderschaft. Hinunter an den Strand. Über endlose Treppenwege, vorbei an Häusern voller schlafender Menschen. Es ist still. Wirklich still. Kein Geräusch, kein Laut, der nicht hierhergehört. Kein Rasenmäher, kein Auto, kein Flugzeug. Nichts. Nur die Brandung und die Vögel, die das Nahen des neuen Tages fühlen und ihn singend begrüssen. So, wie ich. 

Sand umschmeichelt meine Schuhe. Es ist zu kalt, sie auszuziehen. Aber ich fühle die Erde durch jede Sohlenschicht, weil nichts meine Wahrnehmung stört. Alle meine Sinne sind auf Empfang ausgerichtet. Kein Schleier, keine Grenze. Ich bin weit offen. So, wie der Himmel vor mir. So wie das Meer und der Horizont. Unendlichkeit. 

 

Meine Schritte laufen über das Wasser. Wie Jesus. Der Strand ist bedeckt vom Meeresnass. Eine haudünne Schicht, aber sie ist nicht von einem stillen, ruhigen See zu unterscheiden. Vor allem nicht in diesem Mondlicht. Bevor ich nicht jeden Schritt gegangen bin, weiss ich nicht, wie tief dieses Wasser wirklich reicht. Mein Herz klopft, erwartungsvolle Freudensprünge. 

Weiter, weiter, weiter. Die Gegenwart verschwindet. Ich tauche ein, in ein Land jenseits aller Zeiten. Werde zu einer der Priesterinnen, die hier standen. Eine lange Reihe. Hand in Hand. Auf den Mond blickend. Mein drittes Auge strahlt. Freudiges Wiedererkennen. Pure Feier. Und Tränen in den anderen Augen. Die Verbindung der Seelen ist so stark, wie die des Landes. Miteinander tanzen sie im Takt der Wellen. Alles ist eins, alles wird eins, in jedem Moment neu geboren und mit offenen Armen begrüsst. Der Mond lächelt, die Erde schnurrt wie eine Katze und in mir ist ein Glücksgefühl, das alles sprengt, was ich kenne. Mein Herz - weit offen. Überfließend. Im Einklang mit allem, um ich herum. Der Moment ist Ewigkeit.

Und jeder neue Moment ist Staunen. Staunen über das Lichtspiel am Himmel, die Wolkenberge. Die Nacht wird langsam heller. Auf der anderen Seite des Horizonts wacht das Licht auf. Die Farben zeigen ihre ganze Palette. Vom zarten Blaugrün hinüber in Orange, Gelb und Rot. Kräftiger, kräftiger. Pure Balance, pure Harmonie. Die Nacht verwandelt sich in den Tag. Und neue Augenblick ist in sich vollkommen. So, wie das Ganze. Eine feinjustierte Waage, absolutes Gleichgewicht. Der Mond verabschiedet sich, tief über dem Horizont, groß und blass. Die Sonne geht auf. Schickt ihre hellen Strahlen über den Bergrücken. Und mit ihr wacht die Welt um mich herum auf. Neugeburt. Wiedergeburt. So, wie jeden Tag.

Kein Bedauern ist in mir. Alles stimmt. Ich freue mich auf diesen neuen Morgen. Auf die Kraft der Farben, die Helligkeit des Lichts. Die scharf umrissenen Konturen. 

 

Meine Wanderung geht über die Felsen, zur Steilküste. Die Basstölpel begrüssen mich mit ihren luftigen Schreien. Sie segeln grandios elegant direkt über meinen Kopf. Begrüssen liebevoll ihren Partner. Nestbauzeit bei den Vögeln. Ein Haus für das neue Leben, das sie in wenigen Tagen gemeinsam bebrüten werden. Jeder schafft sich ein Heim, für wenige Wochen. Sorgfältig. Grashalm für Grashalm, Ästchen für Ästchen. Unter den Felsen rollt die Brandung gegen den Stein, der weite Himmel grüsst hinüber und die Steilküste räkelt sich im Morgenlicht. 

 

Willkommen, neuer Tag. Willkommen, mitten im Leben!

Heilarbeit für Menschen, Orte und die Erde 0