Persönliche Beobachtungen

Kanada ist für mich ein Land, in dem ich mich zu Hause fühle. Hier habe ich meine indigene Geschichte wiedergefunden - im Osten der Landes. Hier sind Wurzeln, die ich ein Leben lang gesucht habe. Hier ist eine grandiose Natur. Doch hier ist auch ihre Verletzung so deutlich, das es wehtut. Weil alles so weit und riesig scheint, können auch die Weißen, die hierherkamen nur in riesigen Dimensionen denken. Alles ist viel zu groß. Die Häuser, die Zimmer, die Supermärkte, die Abpackungen in den Läden, die Autos, die Straßen... Aber die Zusammenhänge, wie sehr alles miteinander verbunden und wie fragil das Gleichgewicht ist, das blieb ihnen verborgen. Ich habe das Gefühl, bis heute. 

 

Kanada scheint so etwas wie eine bessere Version der USA zu sein. Leider ist im Näherschauen auch hier nicht alles so goldig, wie es auf den ersten Blick glänzen mag. Seine Unschuld hat Kanada längst verloren. Es ist zum Experimentierfeld für Wirtschaftsinteressen und zum Abenteuerspielplatz für Touristenschwärme geworden - wie jedes dieser unberührten Kleinode unserer Erde. Frackingfirmen und chinesische Busladungen reichen sich die Hände. Doch jenseits ihre Fußstapfen wartet ein Gefühl von Wildnis. Immer noch. Es ist eine scheinbare Wildnis. Denn die Erschütterungen sind überall fühlbar. Überall.

 

In den Luxushotels, auf dem Skipisten der Rockies, in den Hochhausschluchten von Toronto, am Gedränge der Niagarafälle - da ganz besonders. Doch auch beim Blick von einem scheinbar unberührten Berg im Nationalpark, der Pisten offenbart, die sich wie Schneisen durch die grüne Lunge bohren. Beim Waldsterben. Bei Schornsteinen von Industrieanlagen am Horizont des weiten Sees mit seinem Traumstrand. Dort, wo man es nicht vermutet, dort ist es auch. Menschliche Eingriffe. Deutlich spürbar und eine energetische Katastrophe. 

 

Doch da sind auch diese vielen wundervollen Augenblicke, in denen ich die Natur und die Menschen fühlen kann, in ihrer Majestät und Schönheit. Früh am Morgen, am Fluss im Jaques-Quartier Nationalpark, wenn der Nebel über dem Wasser aufsteigt und ich die Menschen fühle, die hier einmal lebten; beim Pow-Wow der Akwesasne auf Cornwall Island, die vom St. Lorenz River umspült genau auf der Grenze zwischen den USA und Kanada liegt; abends am flackernden Lagerfeuer und weitem Blick auf die Bergspitzen im Glacier Nationalpark in Banff und Jasper. Da ist Magie, überall.

 

Da ist auch ein Vielvölkergemisch mit sehr viel Charme. Jedes Volk hat seine Schätze mitgebracht. Wenn sie alle wirklich gemeinsam und Hand in Hand leben könnten, das wäre wunderbar. Doch es gibt einen weiten Weg zu gehen. Im Augenblick wird die indigene Stimme Kanadas stetig hörbarer und das ist gut so. Die Vergangenheit möchte endlich wirklich angeschaut werden, ohne einfach still eine nette Decke darüber zu decken. Nur so kann die Versöhnung gelingen. Wenn jeder mit offenem Herzen, dem anderen lauscht und ein Stück in dessen Schuhen geht. Das Lauschen ist nicht nur für die Geschichtsbewältigung und eine heilsame Gegenwart aller Völker dieses Landes wichtig - es ist essentiell für das Überleben. Denn die Grenze zur Ausbeutung der Natur ist schon längst deutlich sichtbar und es sind die indigenen Völker, die dafür nie das Gefühl, den Blick und ihre Stimme verloren haben. 


Fotos:


Musik

Laura Niquay - "Motsekano"

Ich beginne mit einem Lied der indigenen Kultur aus dem Album "Waska Matisiwin" von Laura Niquay. Sie gehört zu den Atikamekw in Quebec. Das hier ist eines der kraftvollsten und schönsten Stücke, die ich bei meiner Reise im Osten Kanadas gefunden habe.

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Aysanabee - "We were here"

Aysanabee, ein Oji-Cree-Sänger von der Sandy Lake First Nation im Norden Ontarios. Seine Biographie und Musik erzählen die zerissene Geschichte vieler indigener Menschen Kanadas. Für mich enthalten die Stücke alles. Stolz, Verletzung und Verbindung mit dem Land und die Kraft, niemals untergegangen zu sein, um jetzt ihren Platz einzufordern.

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Leonard Cohen "Hallelujah"

Ein Sprung in die westliche, weiße Kultur Kanadas - zu einem ihrer bekanntesten Vertreter und seinem für mich besten Stück.

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Loreena McKennitt

Ja, sie stammt tatsächlich aus Kanada. Auch wenn ihre Musik sie keltisch-irisch als ihr wirkliches zu Hause bestimmt.. Und was für Musik das ist...

"The mystic's dream"

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Filme

"The Grizzlies"

Ein sehr ehrlicher, direkter und lehrreicher Film. Er zeigt in allen Facetten, welchen Problemen wir uns alle gegenüberstehen sehen, wenn wir einen Weg zu einander finden wollen. In einer arktischen indigenen Gemeinde versucht ein junger Lehrer Zugang zu den Jugendlichen zu finden. Er kommt mit seinen eigenen Vorstellungen, laut und auch ein Stück arrogant. Er sieht die Menschen und fällt ein Urteil. Das er damit oft genug völlig falsch liegt, lernt er im Lauf der Zeit. Die Indigenen wiederum sehen in ihm nicht unvoreingenommen jemanden, der helfen möchte und das Herz doch irgendwie auf dem rechten Fleck hat sondern als einen Weißen, der ihnen wieder einmal falsche Versprechungen macht und ihnen vorschreiben will, wie sie zu leben haben. So sind die Mauern auf beiden Seiten hoch. Doch es gibt einen Weg und sie finden ihn. Unbeding sehenswert!

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"Angry Inuk"

Robbenjagd. Ein Thema, bei dem sich bis heute Umweltorganisationen lautstark zu Wort melden und mit den einprägsamen Bildern von Robbenbaby's Herzen erobern. Doch wen treffen die Kampagnen am Ende wirklich? Welche Zusammenhänge gibt es, die viel zu oft komplett ausgeblendet werden? Die indigenen Völker der Arktis leben von der Robbenjagd und sie sind kommerziell davon abhängig. Können ihre Felle nicht mehr verkauft werden oder zu wesentlich geringeren Preisen, bricht ihr Lebensunterhalt in sich zusammen. Da helfen auch keine Ausnahmen in Verträgen. Sie zeigen nur, wie kurzsichtig Blickweisen sein können. Und zwar nicht nur in Hinsicht auf die Lebensweise ganzer Völker sondern auch auf die ökologischen Verbindungen. Dieser Film ist ein einprägsames Plädoyer für einen Blick, der tatsächlich alle Seiten sieht und gleichermaßen  berücksichtigt. Er ist noch mehr - er stellt dieses westliche "Gutmenschentum" gehörig in Frage. 

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"Maïna - Wolfsmädchen"

Ein tiefgehender und berührender Film, der nicht nur das Leben zweier verschiedener Völker des Nordens beschreibt sondern auch ein Aufruf zu Verständigung und Verbindung der Lebensweisen ist. Angst  vor dem Fremden lässt die Geschenke des Anderssseins so oft übersehen. Auch das wird hier deutlich. In diese Geschichte sind die Mythologie, die Verbindung mit der Natur, der Erfindungsreichtum und Mut der Menschen eingewoben, wie ein wundervoller Teppich. 

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Heilarbeit für Menschen, Orte und die Erde 0