Devas und grüne Daumen

Über fünfzig Jahre gibt es die Findhorn Foundation bereits. Hoch oben im Norden Schottlands. Es ist ein weiter Weg hierher. Deshalb hat es lange gedauert, bis ich endlich hier sein konnte. Ich bin schon vor langer Zeit auf diese faszinierende Gemeinschaft in der Nähe von Inverness gestoßen. Damals war ich in Australien, um die Jahrtausendwende und hatte zum ersten Mal mit Spiritualität zu tun.

 

Findhorn ist bekannt geworden duch die verblüffende Kultivierung von fast unfruchtbarem Sandboden. Die Früchte, die dort geerntet wurden, wo eigentlich gar nichts wachsen sollte, müssen so enorm gewesen sein, das gerade die Gartenexperten Briatanniens sprachlos wurden. Und diese Fruchtbarkeit ist nur aus einem einzigen Grund aus dem Nichts aufgetaucht. Durch eine tiefe spirtituelle Verbindung mit der Erde, mit dem Boden und den Pflanzendevas. Eine Verbindung zu den Energien und Wesen, die in der Logik des materiellen Denkens genauso wenig existieren, wie fruchtbarer Sandboden. Diese Geschichte reicht vollkommen aus, um Findhorn für mich zu einem der interessantesten Orte zu mache, die ich besuchen möchte. 

 

Ich hatte allerdings auch gehört, dass sich seit dem Tod der beiden Gründer viel verändert hatte. Und es gab einige Meinungen, die dem Ort wachsende Kommerzialisierung und ein Abrücken von den ursprünglichen Werten und Visionen bescheinigten. Im Herbst 2012 kann ich mich selbst davon überzeugen, was stimmt. 

 

Ich wollte ursprünglich zu einem Kongreß nach Findhorn kommen. "Love, Magic and Miracles". Der Titel hat mich angezogen, der Preis umgehauen. Ein erstes Indiz für den Kommerz? Wenn ich die Preise der Seminare, Workshops oder Kennenlernwochen betrachte, muss ich schon schlucken. Ich kenne das Preisniveau Schottlands, aber trotz allem, es ist verdammt viel Geld, was hier für wenige Tage verlangt wird. Die Preisstaffelungen, je nach Einkommenslage, entschärfen die Situation für mich nicht wirklich. Es bleibt, auf deutsch gesagt, sauteuer. Also muss der Kongress leider ohne mich stattfinden. Aber ich werde trotzdem zu Zeit des Kongresses am Ort sein. Ob es nur für wenige Stunden oder Tage sein wird, möchte ich direkt dort entscheiden. 

 

Der erste Eindruck von Findhorn ist verwirrend. Ich bin nicht so ganz sicher, wo der kommerzielle Campingplatz aufhört und das Gebiet der Gemeinschaft beginnt. Es scheint alles irgendwie ineinander zu fließen. Und natürlich schauen so ganz normale englisch/schottische Caravane nicht wirklich alternativ oder gar kreativ aus. Dann entdecke ich den Laden, das Empfangsbüro und die Hinweisschilder zum Café und zur Universal Hall. Hier bin ich richtig.

 

Der Empfang im dafür zuständigen Büro ist - ernüchternd. Hier kann mir niemand bei der Suche nach einem Bett helfen, weil niemand den Überblick hat, was frei ist. Telefonieren müsste ich dafür sowieso selbst. Aha. Wäre es nicht wesentlich schöner, wenn ich das von einem Festnetztelefon innerhalb des Ortsnetzes erledigen könnte, statt von einem deutschen Handy? Ich hätte mich auf jeden Fall wesentlich willkommener empfunden als bei den mageren Hinweisen des Empfangsmenschen. Auch die Kommerzialisierung scheint mir sofort entgegenzueilen. Die Broschüre über Findhorn kostet 5 Pfund und die Teilnahme an einer Abend- oder Vormittagssession des Kongresses 35,- Pfund. Mhm. Soweit sind die Dinge klar. Ich habe nichts gegen den Wert von Dingen, aber muss ich gleich so begrüsst werden - und nur so? Ich nehme nichts von Beidem und entscheide mich für ein kostenloses Schnupperspazieren über das Gelände. Allein. 

 

Ab dem Moment wird es schön. Richtig schön. Der Platz ist wunderbar. Die vielen Häuser der Bewohner strahlen vor Kreativität und Individualität. Hier habe ich sofort das Gefühl, dass mit ganz viel Liebe gebaut wurde. Jeder hat sein kleines Paradies geschaffen. In so einer bunten Vielfalt, das mir ganz warm im Herzen wird. Pure Inspiration springt mir entgegen.

 

Da gibt es ein Hobbithäuschen, komplett mit Grasdach und Glasbullaugen als Fenster, die in einen tadellos gepflegten Blumen-Wiesengarten hinausschauen. Mitten in einer Waldlichtung liegt dieser Platz und beherbergt einen Meditationsraum. Hier könnte ich sofort einziehen. Zum ersten Mal seit dieser ganzen Reise durch England habe ich das Gefühl, dass hier mit der Erde gebaut wurde - nicht gegen sie. Alles ist harmonisch, alles passt zusammen. Erde und Haus sind eine Einheit. Endlich einmal. Sonst habe ich immer das Gefühl, Mensch und Erde sind im Krieg. Hier herrscht endlich Frieden. Und in mir wird etwas ganz ruhig und glücklich. Es geht also doch!

 

Auch die Außenwand der Universal Hall begeistert mich. Unbehauene Steine bilden wunderschöne Muster, ganze Landschaften. Dazu ein Holzdach, dass einfach - passt. Die Engelflügeltüren, der Mosaikboden - Menschen können so wunder-, wunderschöne Dinge erschaffen. Wenn sie nicht nur daran denken, dass das Geld nicht reicht, dass alles praktisch sein muss oder so gemacht werden sollte, wie es schon immer gemacht worden ist. Für mich ist das hier der pure Energieschub. Das gibt mir meinen Glauben an die Fähigkeiten der Menschen zurück. 

 

Die Töpferei ist genauso inspirierend und auch Café und Laden machen richtig Freude. Und dann ist da noch eine Organisation, die mich tief im Herzen berührt. "Trees for Life". Sie hat es sich zum Ziel gesetzt, die kaledonischen Urwälder wieder aufzuforsten. Eine Millionen Bäume wurden von diesen engagierten Menschen bereits gepflanzt. Wer einmal die kahlen Berghänge Schottlands gesehen hat und ahnt, was hier einmal für kraftvolle Wälder standen, die in Kriegsschiffen endeten; wer einmal die kraftvolle Ausstrahlung kaledonischer Urwälder erlebt hat, der weiß, wie es mir jetzt geht. Ich spüre die Liebe dieser Menschen für die Bäume. Sie trifft sich mit meiner. Und ich weiß, wir arbeiten für die gleiche, wunderbare Erde. Danke, dass es euch gibt!!!!!

 

Danke auch an Findhorn. Ich war nur vier Stunden dort und ich habe lange nicht alles gesehen. Aber der Ort hat mir - jenseits aller "aber's" ewas ganz Wichtiges geschenkt. Ich glaube wieder, dass die Menschen zu wirklicher Schönheit und wirklicher Liebe fähig sind. Und dass das bereits geschieht. Nicht nur in meinen Träumen. Sondern jetzt und hier. 

 

Ich brauche wohl kaum zu erwähnen, das Findhoren von jetzt an auf jedem meiner Schottlandreisen fest eingeplante Energietankstelle ist, oder? Es wird wohl nie ein Seminar werden, hier oben. Da stimmt die Balance eindeutlig nicht. Aber ich habe jede Menge anderer Möglichkeiten entdeckt, diesen Ort auf meine Art kennenzulernen. Und darauf freue ich mich. Immer wieder!

Anmerkung: Ich war seit dieser ersten Begegnung fast jedes Jahr hier, bis 2019. Für mich ist dieser Platz in all seiner Andersartigkeit eine Inspiration geworden. Ich habe nie intensivere menschliche Kontakt geknüpft, auch wenn ich vielen Menschen begegnet bin. Vielleicht gehen hier, wie in vielen anderen Gemeinschaften, einfach zu Viele ein und aus. Schade. Doch in meinem Herzen fühle ich die Verbindung. 

Heilarbeit für Menschen, Orte und die Erde 0